Frage an Peter Neuhaus von Klaus S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Neuhaus,
auf den Plakaten der Grünen Partei sehe ich den Satz (sinngemäß) "Mut zur Armutsbekämpfung". Dem stimme ich in vollem Umfange zu. Sehen Sie aber nicht, daß Ihre Partei durch alte und neue Forderung nach Umweltschutzmäßnahmen (Stichwort: EEG, Verteuerung von Kraftstoffen und ähnliche Forderungen) viele Familien in genau diese Armut treibt und den Konsumspielraum für andere Güter immer weiter einengt, was zu einem deutlichen Verlust an Lebensqualität führt?
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Schöler
Sehr geehrter Herr Schöler,
für mich gehören die soziale, die ökologische und die ökonomische Frage zusammen. So ist etwa die ökologische Herausforderung längst auch eine soziale, wie die Millionen von Menschen zeigen, die aufgrund von globalen Klimaveränderungen ihre Heimat und ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren. Und ich bin überzeugt davon, dass mich meine eigenen Kinder und Enkelkinder in 10, 20 oder 30 Jahren fragen werden, was ich denn gewusst habe von der ökologischen Katastrophe im Zeichen des Klimawandels und was ich und meine Generation dagegen getan hat. Also: Die ökologische Frage ist insbesondere auch eine Gerechtigkeitsfrage zwischen den Generationen!
Aber klar: Die Energiewende muss bezahlbar sein und bleiben. Es geht nicht an, dass Menschen sich im Winter entscheiden müssen, ob sie essen oder heizen wollen. Jedes Jahr sitzen 120.000 Haushalte im Dunkeln, weil sie ihre Stromrechnung nicht bezahlen können. Das ist ein Skandal!
Das aber dem EEG in die Schuhe zu schieben, geht m.E. nicht auf. Denn erstens steigen auch die Preise für fossile Energieträger und werden das angesichts knapper werdender Ressourcen auch weiterhin unaufhaltsam tun. Und zweitens ist der Preis an der Leipziger Strombörse noch nie so billig gewesen wie jetzt mit der Zunahme an erneuerbaren Energien und liegt derzeit bei unter 5 ct/kwh. Das Dumme ist nur, dass die Versorger diese Preissenkungen nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Dumm auch, dass von der EEG-Umlage immer mehr Unternehmen befreit werden und das an sich sinnvolle Instrument der Umlagebefreiung zum Schutz von energieintensiven Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, längst zur Regel geworden ist. In diesem Jahr zahlen private Haushalte rd. 805 Millionen Euro für die befreiten Unternehmen, zu den auch C&A, Aldi, H&M, Burger King und der eine oder andere Golfclub gehören (WAZ vom 20.8.2013). Die Verantwortung für diesen Unsinn tragen übrigens nicht die Grünen, sondern das FDP-geführte Wirtschaftsministerium!
Das sind meine Konsequenzen: Die Verbilligung des Stroms durch die Einspeisung des günstigen erneuerbaren Stroms, insbesondere der On-Shore-Windenergie muss an die VerbraucherInnen weitergegeben werden. Ausnahmen von der EEG-Umlage müssen Ausnahmen bleiben. Die Strompreise müssen die "ökologische Wahrheit" sagen. Dazu hat die EU die CO2-Emissionszertifikate eingeführt, die, wesentlich aufgrund der Weigerung der Bundesregierung, die Anzahl der Zertifikate zu verknappen, zZ dummerweise so billig zu haben sind, dass sie keine Steuerungsfunktion in Richtung mehr haben. Zum Schutz einkommensschwacher Haushalte soll es für ein Basiskontingent an Strom und Wärmeenergie eine Steuerbefreiung geben. Stromsperren gehören abgeschafft. Wir brauchen eine gute Energieberatung - in NRW gibt es die in Zusammenarbeit von Verbraucherzentrale und Caritas. Die energetische Sanierung von Wohngebäuden muss vorangetrieben werden, das ist auch eine Chance für die Bauwirtschaft! MieterInnen müssen davon profitieren, anstatt dafür zusätzlich zur Kasse gebeten zu werden.
Lieber Herr Schöler, das sind nur einige Hinweise, die m.E. zeigen: Wenn Politik und Energiewirtschaft wollen, kriegen wir die Energiewende so hin, dass sie nicht nur ökologisch Sinn macht, sondern auch sozial! Und ökonomisch abendrein. Ich habe allerdings den Eindruck, dass diejenigen "Player" am Energiemarkt, die zu den Profiteuren des alten Energieregimes gehörten, alles tun, um die Energiewende in Verruf zu bringen. Dazu empfehle ich abschließend von Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung: "Kampf um Strom - Mythen, Macht und Monopole".
Viele Grüße,
Peter Neuhaus