Frage an Peter Groos von Thomas F. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Groos,
wie ich lese, treten Sie in Ihrem Wahlkreis gegen einige recht prominente Gegenkandidaten an. Mit den umfassenden Aussagen Ihrer Partei, ich nenne als Schlagwort den "Green New Deal" haben Sie ja eine solide Grundlage, um gegen die eher eindimensionalen Angebote z.B. der F.D.P. oder die sich geradezu in grotesker Weise selbst zerlegende SPD punkten zu können.
Wie aber wollen Sie es mit dem "genialen" Populisten Gregor Gysi aufnehmen, dem man ja eine gewisse Bauernschläue durchaus attestieren kann?
Was halten Sie von einer Option Rot-Dunkelrot-Grün?
Ich bin als Ex-Berliner und nun Brandenburger immer wieder erschüttert, wie die "DDR" Vergangenheit umgedeutet und verharmlost wird, gerade weil ich viele ehemalige DDR-Bürger kennen gelernt habe, deren Lebensläufe vielfach gebrochen wurden und die man allenfalls auf Opferrenten verweist, während die für diese Umstände Verantwortlichen, und da will mir immer wieder auch der IM Notar Gregor Gysi einfallen, die heute das große Wort führen.
Welche Vorstellungen haben Sie gerade im 20. Jahr der friedlichen Revolution in der DDR, wie dieser Opferschutz verbessert werden kann?
Sehr geehrter Herr Fischer,
außerhalb Treptow-Köpenicks hat das öffentliche Interesse am Wahlkampf im Berliner Südosten durch das Aufeinandertreffen des Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag und des Bundesgeschäftsführers und Wahlkampfleiters der SPD sicher zugenommen. Im Wahlkreis selbst dominieren die Sachthemen, treffen Kandidaten aufeinander, die in jeder Diskussionsrunde, an jedem Wahlstand und in jeder Antwort auf abgeordnetenwatch.de von neuem für ihre Standpunkte eintreten und ihre Argumente kreuzen. An wichtigen Sachthemen ist vor dieser Bundestagswahl wahrlich kein Mangel – für einen Prominentenbonus ist da ebenso wenig Raum wie für einen arroganten Erbrechtsstreit um das Direktmandat in Treptow-Köpenick zwischen SPD und Linken.
Zu den weiterhin wichtigen Sachthemen – da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu – zähle ich auch unsere jüngere deutsch-deutsche Vergangenheit, zählen die Haltung zur Demokratiebewegung in der DDR und zum DDR-Herrschaftssystem sowie den dieses tragenden Institutionen. Auch ich bin mit dem vielfach zu beobachtenden sentimentalen Rückblick auf die DDR nicht einverstanden, geht damit doch die Verharmlosung einer Diktatur einher, die in die Lebensläufe vieler hunderttausender ihrer Bürger gewaltsam eingegriffen und deren Überwindung viele in der DDR großen persönlichen Mut gekostet hat. Sentimentale Rückblicke leisten in der Regel nie und nirgends einen Beitrag zum besseren Verständnis der Vergangenheit, dennoch handelt es sich um ein weit verbreitetes menschliches Bedürfnis, das sich nicht einfach durch den Hinweis auf die fehlende aufklärerische Haltung außer Kraft setzen ließe. Ich sage es einmal so: Jeder hat das Recht auf seine persönliche, auch sentimental geprägte Sicht der Dinge.
Nur darf es dabei nicht bleiben. Jeder von uns und die Gesellschaft insgesamt hat auch die Verantwortung sich der Vergangenheit in all ihren auch schwierigen und belastenden Facetten zu stellen. Wir Deutsche sind damit im Hinblick auf deutsche Teilung und deutsche Einheit nach 1945 noch lange nicht am Ende. Es wird auch in diesem Fall, da bin ich sicher, eine Generation nach dem Schlüsselereignis der Wiedervereinigung, also ungefähr 30 Jahre nach 1990, kein Abflauen der Debatten, sondern wachsendes Interesse, andere Sichtweisen und neue Fragestellungen geben. Denken Sie vergleichsweise an den Umgang mit dem NS-Erbe in der alten Bundesrepublik oder an Spanien und seine Franco-Vergangenheit.
Ich hoffe, dass es uns im Herbst gelingt, der bis heute ungeheuer inspirierenden Ereignisse in der finalen DDR der Jahre 1989/90 angemessen zu gedenken. Die Bilanz von zwanzig Jahren deutscher Einheit fällt nicht in jeder Beziehung positiv aus – das kann auch gar nicht anders sein. Mit dem Opferschutz ist es eine schwierige Sache: Einerseits wünschte ich mir, dass beispielsweise das Rentenrecht im Sinne der Opfer der SED-Diktatur verändert würde, und das ist auch eine richtige politische Forderung. Andererseits bin ich mir der Begrenztheit dieses und anderer Instrumente bewusst. Historische Erfahrungen lassen sich nicht nachträglich korrigieren, daher ist es auch eine Illusion zu glauben, es ließe sich nachträglich Gerechtigkeit in dem von Ihnen angesprochenen Sinn herbeiführen. Ich glaube, dass die stärkste Anerkennung der Opfer und der größte Respekt vor ihren Lebenswegen darin besteht, die Auseinandersetzung mit dem Unrecht in der DDR auf breiter Front gesellschaftlich zu führen und diese Auseinandersetzung auch durch umfangreiche öffentliche Unterstützung zu fördern. Dramatisch weit verbreitet ist das historische Unwissen unter den Jüngeren – hier muß gegengesteuert werden. Das ist nicht nur eine Aufgabe für die Politik, aber die Politik hat selbstverständlich besondere Verantwortung dafür, dass die Gesellschaft sich dieser Aufgabe bewusst wird.
Sie fragen nach meiner Position zu einer gemeinsamen Regierung mit SPD und Linken. Ich halte davon nicht viel und sage Ihnen auch warum: Richtig ist, dass jede Partei auf eine Machtperspektive hinarbeitet, auch wir Grünen. Richtig ist auch, dass es bei grünen Kernthemen wie z.B. der Umwelt- und Energiepolitik eher Gemeinsamkeiten mit SPD und Linken als beispielsweise mit der CDU gibt. Die Stellung der Parteien zueinander wird aber nicht allein durch die Übereinstimmungen in Sachfragen sondern auch durch den Konfliktgehalt ihrer Grundpositionen und politischen Leitbilder bestimmt. Und die sind zwischen Grünen und SPD, bei allen Erfahrungen der Zusammenarbeit in den letzten 25 Jahren unterschiedlich, stark unterschiedlich. Der freiheitliche Gehalt unserer grünen emanzipatorischen Politik verträgt sich häufig nur unter Schmerzen mit dem staats- und interventionsdominierten Modell sozialdemokratischer emanzipatorischer Politik. Und das gilt in noch ungleich stärkerem Maße für die Linke, ganz unabhängig von grundsätzlichen Fragen, die eine Zusammenarbeit mit dieser Partei für uns Grüne, die wir uns als Bündnis 90 / Die Grünen ja auch als Erbe der DDR-Bürgerrechtsbewegung sehen, aufwerfen müsste.
Mit besten Grüßen
Ihr
Peter Groos