Frage an Peter Danckert von Jörg H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Abgeordneter, das demokratisch gewählte Parlament Schwedens hat, kurz nach den Amerikanern, den Völkermord der Türken an das armenische Volk anerkannt. Wie lange wird es ihrer Meinung nach dauern, bis das deutsche Parlament dieses Verbrechen gegen die Menschheit ebenso verurteilt vor allem da das damalige deutsche Reich, zwar nicht Mittäter aber Bundesgenosse des Osmanischen Reiches war. Ich brauche Sie, als aufrechten Demokraten, ja nicht darüber zu belehren das wir als Deutsche eine besondere Verantwortung gegen über unserer eigenen Geschichte, sondern auch als Teil der demokratischen Welt keine Verbrechen anderer zu dulden haben.
Sehr geehrter Herr Henicke,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Haltung des deutschen Parlaments bezüglich der Vertreibungen und Massaker an den Armeniern vor nunmehr 95 Jahren. Ich stimme Ihnen zu, dass wir als Deutsche eine besondere Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte haben und als Teil der demokratischen Welt Verbrechen - wo immer sie in der Welt geschehen - verurteilen müssen. Dies ist auch als Abgeordneter des Deutschen Bundestages für mich immer Richtschnur gewesen und wird es bleiben. Der Deutsche Bundestag hat am 16. Juni 2005 dem Antrag der SPD, der CDU/CSU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP („Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915 - Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beitragen) mit den Stimmen des ganzen Hauses zugestimmt. In diesem Antrag (Drs. 15/5689) beklagt der Bundestag die Taten der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reiches und bedauert erstmals ausdrücklich die "unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches", das als dessen militärischer Bündnispartner die Verbrechen am armenischen Volk stillschweigend geduldet hat. In dem Antrag fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, die Aufarbeitung, das Versöhnen und das Verzeihen historischer Schuld zwischen Türken und Armeniern zu fördern und verneigt sich vor den Opfern.
Damit hat der Deutsche Bundestag „60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs“ erstmals nachdrücklich seine klare Haltung zur Armenienfrage zum Ausdruck gebracht und sich zu der Verantwortung aus der Geschichte bekannt. Mit Hinweis auf eine „europäische Erinnerungskultur“, die auch innerhalb Europas eine Aussöhnung möglich gemacht hat, appelliert er zugleich an den Rechtsnachfolger des Osmanischen Reiches, die Türkei, sich einer kritischen Aufarbeitung der Armenienfrage zu stellen. Die Parlamentsdebatte, die anlässlich des 90. Jahrestages der Vertreibungen und Massaker an den Armeniern bereits am 21. April 2005 stattfand (Drs. 15/172, S. 16127 - 16135), wurde von Teilen der Presse als „Sternstunde des Parlaments“ bezeichnet, zumal spürbar war, dass allen Fraktionen an einer einvernehmlichen Erklärung des Bundestages gelegen war. Nach ausführlichen Beratungen im federführenden Auswärtigen Ausschuss wurde der oben genannte Antrag ohne Gegenstimme verabschiedet (Drs. 15/17117).
Auf der Seite des Bundestages www.bundestag.de finden Sie sowohl Antrag als auch Debatte, die ich Ihnen herzlich zur Lektüre empfehle. Tatsächlich unterstützt auch die Bundesregierung seit Jahren den begonnenen Prozess einer Annäherung und Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien und versucht zwischen beiden Seiten zu vermitteln, auch im Rahmen der Nachbarschaftsinitiative der EU. Sie begrüßt alle Initiativen, die einen Beitrag zum türkisch-armenischen Versöhnungsprozess leisten. Das Auswärtige Amt hat 2009 über das „Institut für internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschul-Verbandes“ (dvv international) ein Projekt finanziell gefördert, in dem türkische und armenische Studierende zusammen kamen, um sich mit der Aufarbeitung der schwierigen Geschichte auseinanderzusetzen. Unabhängigen Historikern aus aller Welt stehen inzwischen alle Akten des politischen Archivs des Auswärtigen Amtes für ihre Forschungsarbeit zur freien Verfügung, was auch gern genutzt wird. Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte, und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Danckert