Frage an Peter Aumer von Bernhard G. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
Wie kann man aktuell eine Befürwortung der Lockerungen für Geimpfte und Genesene rechtfertigen, wenn bisher der überwiegende Teil der Bevölkerung noch absolut keine Chance hatte eine Impfung zu erhalten?
Klar, eine Rückkehr zu "mehr Normalität" wünscht sich jeder. Aber das ist auch der Punkt: JEDER wünscht sich diese Normalität!
Eine Gleichstellung des Geimpften/Genesenen-Status mit negativ getesteten würde ausreichen bis jeder die gleichen Chancen auf eine Impfung hatte.
Ist den Entscheidungsträgern nicht bewusst welche Symbolwirkung eine solche Entscheidung mit sich bringt? Welches Signal diese Entscheidung an die jüngeren Generationen sendet? Laut Regierungsaussagen soll (hoffentlich pessimistisch angesetzt) bis Ende des Sommers jedem Impfwilligen ein Impfangebot geboten werden.
Wie fühlt sich wohl eine heranwachsende Person im Alter von 20 Jahren, die noch Monate auf eine Impfung warten muss (und dies bisher auch gerne im Sinne der Solidarität gegenüber den schwächeren und stärker gefährdeten Bevölkerungsschichten getan hat)?
Offenbar ist Solidarität zur Einbahnstraße geworden!
Wie fühlt es sich wohl an zu sehen, dass für andere keine Kontaktbeschränkungen mehr gelten und man selbst seine (Schul)Ausbildung oder sein Studium nicht ordentlich weiterführen kann, weil keine Vorlesungen oder Praktika mehr erlaubt sind?
Wie fühlt es sich wohl an zu sehen, dass für andere keine Kontaktbeschränkungen mehr gelten und man selbst seine eignen sozialen Kontakte massiv eingeschränkt hat und auch weiter einschränken muss?
Viele Menschen der jüngeren Generation ohne Chance auf eine zeitnahe Impfung werden diese Fragen sehr bald beantworten können. Einer ganzen Generation wird vorgelebt, dass Werte wie Gemeinschaft und Solidarität nur soweit reichen, wie man einen eigenen Vorteil daraus ziehen kann.
Danke
Sehr geehrter Herr Gregori,
vielen Dank für Ihre Nachricht bezüglich der Lockerungen für Geimpfte und Genesene. Ich nehme Ihre Bedenken sehr ernst, weswegen ich Ihnen die weitere Vorgehensweise näher erläutern möchte.
Ich verstehe den Unmut insbesondere vieler junger Menschen, die sich vorbildlich an die Corona-Maßnahmen gehalten haben und nun abermals dazu aufgefordert sind Geduld zu haben und weiterhin mit Einschränkungen zu leben. Es ist verständlich, dass sich hier Ärger und ein Empfinden von Ungerechtigkeit breit macht. Gerne erläutere ich Ihnen, warum es dennoch unsere Pflicht ist, die Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte und Genesene wieder ein Stück weit aufzuheben.
Jeder Grundrechtseingriff muss durch eine gesetzliche Grundlage gestützt werden. Je mehr in die Grundrechte eingegriffen wird, desto höher sind auch die Anforderungen an die Bestimmtheit des Gesetzes. Die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie basieren auf dem Infektionsschutzgesetz. Hier werden mögliche Schutzmaßnahmen zur Eindämmung von Infektionskrankheiten definiert. Die zentrale Norm in § 28 IfSG lautet:
„Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.“
Demnach können Schutzmaßnahmen für „Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider“ getroffen werden, „soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist“. Geimpfte und Genesene zählen weder zu den aufgeführten Personengruppen, noch wird durch die Einschränkung dieser Menschen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten beigetragen. Unser Grundgesetz gibt es also nicht her, dass die Rechte Geimpfter und Genesener weiterhin im bisherigen Ausmaß eingeschränkt bleiben. Auf Grundlage unseres Grundgesetzes kann keine Verlängerung der Corona-Maßnahmen für Geimpfte und Genesene beibehalten werden.
Durch umfangreiches Testen wollen wir die Teilhabe der Menschen, die noch keine Impfung erhalten haben, ermöglichen. Auch diese können den Einzelhandel oder die Gastronomie in Regionen mit entsprechender Inzidenz besuchen. Außerdem profitieren ungeimpfte Personen auch von den Erleichterungen für Geimpfte. Da Geimpfte bezüglich der Kontaktbeschränkungen nicht als zusätzliche Personen zählen sollen, können sich „Ungeimpfte“ auch wieder mit mehreren Personen treffen.
Gleichzeitig wird die Impfkampagne immer schneller. Rund 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger haben bereits mindestens eine Impfung erhalten. Allein im 2. Quartal von 2021 werden rund 30 Millionen Impfdosen an die Länder und weitere rund 30 Millionen Impfdosen an die Arztpraxen ausgeliefert. Die Impfpriorisierung wir nun nach und nach aufgehoben. Im Sommer wird voraussichtlich jede Bürgerin und jeder Bürger eine Impfangebot erhalten haben. Wir sind auf der Zielgeraden und ich bitte um Ihre Unterstützung auf den letzten Metern.
Zusätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass Lockerungen für Geimpfte und Genesene zu diesem frühen Zeitpunkt vor allem für Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen eine große Erleichterung darstellen. Diese können nun wieder gemeinschaftlichen Aktivitäten nachgehen und beispielsweise Mahlzeiten zusammen einnehmen. So wird auch die Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger erleichtert.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Peter Aumer