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Peter Aumer
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Frage von Arthur S. •

Frage an Peter Aumer von Arthur S. bezüglich Bundestag

Sehr geehrter Herr Baumer,
was tun Sie aktuell ganz konkret dafür, dass die Änderung des Wahlrechts zur Verkleinerung des Bundestags noch in dieser Legislaturperiode erfolgreich umgesetzt werden kann?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
A. S.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schreyer,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Mit 709 Abgeordneten hat der aktuelle Bundestag deutlich mehr Mitglieder als die festgeschriebenen 598 Abgeordneten. Dies resultiert aus einer Wahlrechtsreform, die entstehende Überhangmandate durch Ausgleichsmandate ausgleicht, um entsprechend der Zweitstimme ein proportional besetztes Parlament zu erhalten und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum negativen Stimmengewicht gerecht zu werden. Daher sitzen im aktuellen Bundestag 65 Abgeordnete, die nur durch ein Ausgleichsmandat ins Parlament gekommen sind und 46 Abgeordnete, die ein Überhangmandat repräsentieren.

Wir haben in Deutschland ein personalisiertes Verhältniswahlrecht. Dieses Wahlsystem hat sich bisher als erfolgreich erwiesen, da es eine Mehrheitsbildung im Parlament ermöglicht, den Wählerwillen repräsentiert und zur Stabilität unserer Demokratie beiträgt. Überhangmandate gibt es dabei seit 1949. Durch ein verändertes Wählerverhalten steigt jedoch tendenziell deren Anzahl. Dennoch bin ich beispielsweise dafür, dass Überhangmandate nicht ausgeglichen werden, da diese als mehrheitsbildendes Element unserem Wahlrecht immanent sind. Sie sind Ausdruck der Verbindung zwischen der relativen Mehrheitswahl in den 299 Wahlkreisen über die Erststimme und der bundesweiten Verhältniswahl über die Zweitstimme. Ohne Ausgleichsmandate würde die Anzahl der Abgeordneten deutlich sinken. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist mit Blick auf die Überhangmandate nicht konsequent. So sind laut Urteil mehr als 15 Überhangmandate verfassungswidrig, jedoch blendet damit das Urteil die parteipolitische Besetzung dieser Mandate aus. So sind beispielsweise je 6 Überhangmandate für CDU, CSU und SPD verfassungswidrig, während 14 Überhangmandate nur für eine der drei Parteien verfassungskonform wären.

Ich persönlich setze mich in den entsprechenden Gremien für die Einführung eines Grabenwahlsystems ein, das die Verrechnung zwischen Erst- und Zweitstimme bei der Sitzzuteilung auf Landesebene unterbindet. Dadurch entstehen weder Überhang- noch Ausgleichsmandate und wir hätten immer 598 Abgeordnete. Leider versperren sich bislang die weiteren Bundestagsparteien diesem Vorschlag, da diese weniger Sitze im Bundestag befürchten. Meine Kolleginnen und Kollegen lassen dabei außer Acht, dass Verschiebungen beim Wählerwillen und beim Wahlverhalten hier auch zu Verschiebungen bei der Sitzzuteilung führen. So haben sich Änderungen des Wahlrechts bisher immer auch in einem veränderten Wahlverhalten niedergeschlagen. Ein Beispiel ist das zunehmende Stimmensplitting. Ich leiste wo es geht Überzeugungsarbeit, um eine Mehrheit vom Grabenwahlsystem zu überzeugen. In meinen Augen wird das Grabenwahlsystem auch dem Anspruch gerecht, in einem immer stärker fragmentierten Parlament, eine Regierungsbildung zu ermöglichen.

Die Vorschläge der weiteren Bundestagsparteien die Wahlkreise zu reduzieren oder Änderungen bei der Anrechnung von Überhangmandaten auf die Ausgleichsmandate vorzunehmen, ändert hingegen nichts daran, dass weiter Überhangmandate entstehen, die ausgeglichen werden müssen und der Bundestag regelmäßig mehr als 598 Abgeordnete hat. Diese Vorschläge sind daher in meinen Augen nicht nur zum Teil verfassungswidrig, sondern gehen das Problem auch nicht grundlegend an, sondern verschlimmbessern die aktuelle Situation nur.

Als direkt gewählter Abgeordneter des nach den Wahlberechtigten zweitgrößten Bundestagswahlkreises in Deutschland weiß ich zudem aus eigener Erfahrung, dass Wahlkreise mit deutlich größerer Bevölkerungszahl als wir sie jetzt mit rund 253.000 Wahlberechtigen in Stadt und Landkreis Regensburg haben, für einen direkt gewählten Abgeordneten nicht mehr handhabbar sind, der Bürgerkontakt geht verloren, die Anzahl der Anfragen ist nicht mehr bearbeitbar und die Repräsentation des Wahlkreises im Bundestag leidet. Wenn die entsprechenden Wahlkreise dann noch geografisch eine große Streckung aufweisen, erschwert dies die Arbeit zusätzlich. Umgekehrt sind derzeit die direkt gewählten Abgeordneten das Sprachrohr des Wahlkreises im Bundestag, sie setzen sich verstärkt für die Belange ihrer Region ein, sind direkter Ansprechpartner vor Ort und nehmen die Probleme, Meinungen und Anliegen ihrer Bürgerinnen und Bürger mit ins Parlament. Sie sind die Schnittstelle zwischen Berlin und ihrer Heimat. Dadurch halte ich Wahlkreisreformen auch für unsere Demokratie für höchst bedenklich. Hier wird von den weiteren Bundestagsparteien mehrheitlich versucht, erstens der Union den schwarzen Peter bei der aktuellen Wahlrechtsdebatte zu zuschieben und zweitens eigene Machtansprüche über die Maximierung von Listenmandaten zu Lasten des Direktmandats auszuweiten. Bedenkt man, dass derzeit 299 direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete 410 Abgeordneten gegenüber stehen, die über die Parteilisten in den Bundestag eingezogen sind, wird denke ich jedem auch zahlenmäßig bewusst, wo eine Wahlrechtsreform ansetzen muss, um eine Verkleinerung des Bundestags zu erreichen.

Die Wahlrechtsdebatte zeigt uns exemplarisch, dass es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entscheidend ist, Gesetze mit Augenmaß zu machen, die mit Maß und Mitte die bestehenden Lösungswege aufgreifen und ausgleichen. Ich hoffe diese Erkenntnis wird sich in der Debatte um eine Wahlrechtsreform durchsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Aumer

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