Frage an Peter Altmaier von Axel P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Altmaier,
ich nehme an, dass Sie der geplanten Beschränkung der Redefreiheit im Bundestag zustimmen werden?! Wenn Sie diesem für einen Demokraten unerträglichen Maulkorb-Beschluß aber wirklich zustimmen wollten, bitte ich um die Begründung dafür, die ich bisher nur in ganz kleinen Ansätzen verstehen kann.
Ich sehe selbst als Bürger mit 63 Jahren darin
- eine schlecht getarnte Beschränkung,
- die gegen das Grundgesetz
- und den Auftrag von Bundestagsabgeordneten verstößt,
- die Parlamentarier mit einem illegalen Maulkorb versieht,
- um einen hanebüchenen Franktionszwang durchzusetzen.
Ich sehe darin eine echte Gefahr für die Demokratie gerade dort, wo sie eigentlich (noch) stattfinden sollte. Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass Sie mit solchen "Vereinbarungen" die Menschen zu Recht in die Arme von Piraten usw. treiben.
Natürlich muss es Spielregeln geben, sonst debattiert man -zig Stunden für jede Kleinigkeit. Dass aber die Fraktionen bestimmen können, welche "Marionetten" die ausgegebene Richtung als ihre eigene Meinung kundtun sollen, und alle anderen, die nicht in Reih und Glied brav mit marschieren, vom Mikro fern hält, das ist mehr als undemokratisch. Wenn Sie dazu Bürgermeinungen im Internet lesen, dann werden Sie dort Vergleiche zur Gleichschaltung im 3. Reich und der DDR finden...
Die Rüge für N. Lammert vom Ältestenrat, dem Sie angehören, zeigt eine Tendenz im politischen Geschehen, die einen denkenden Demokraten entweder
- verzweifeln lässt, oder
- radikal werden lässt.
Ich bin gespannt, auf welcher Seite Sie stehen.
Ich verbleibe mit der Hoffnung auf eine demokratische Lösung
Axel Petzold
Sehr geehrter Herr Petzold,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. April 2012 zum Thema Redefreiheit im Deutschen Bundestag in der sie die geplante Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages kritisieren.
Nach der öffentlichen Berichterstattung zu diesem Thema habe ich Verständnis für Ihre Besorgnis und Ihren Unmut. Es war jedoch keineswegs beabsichtigt, Rechte der Abgeordneten oder des Bundestagspräsidenten einzuschränken. Dies wäre nach unserer Verfassung schlichtweg unzulässig.
In der Sache geht es um Folgendes:
Nach der Geschäftsordnung des Bundestages werden bisher die Redezeiten zunächst zwischen allen Fraktionen abgestimmt. Die Gestaltung und Dauer von Plenardebatten wird sodann auf Vorschlag des Ältestenrates im Bundestag zu Beginn jeder Sitzung grundsätzlich einvernehmlich festgelegt. Die konkrete Redeordnung dient der Berechenbarkeit des Beratungsablaufs. In der Praxis ist die Vereinbarung der Redezeit von einem sehr kooperativen Umgang zwischen allen Fraktionen geprägt.
Eine ausdrückliche Regelung für die Handhabung von Ausnahmen von der Rednerreihenfolge kennt die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bisher nicht. Diese Regelungslücke sollte geschlossen werden.
Die Wahrnehmung des Rederechts des Abgeordneten gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Kernelementen seiner Mandatsrechte. Es kommt allen Abgeordneten gleichermaßen zu, also auch den Mitgliedern von Fraktionen, die im Plenum von der Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion abweichen wollen. Das Rederecht sollte weder beschnitten, noch sollte gegen Abgeordnete ein „Maulkorb“ verhängt werden.
Es sollte lediglich neu geregelt werden, dass der amtierende Präsident abweichend von der im Bundestag jeweils beschlossenen Redeordnung weiteren Rednern „im Benehmen mit den Fraktionen“ das Wort für in der Regel drei Minuten erteilen kann. „Benehmen“ bedeutet weder „Einvernehmen“ noch „Zustimmung“. Es sollte letztlich der amtierende Bundestagspräsident über die Zulassung, Platzierung und Dauer des Wortbeitrages eines Abgeordneten entscheiden.
Sinn und Zweck dieser Regelung sollte es sein, den Fraktionen in Kenntnis der zusätzlichen Wortbeiträge die Gelegenheit zu geben, die Rednerreihenfolge auch der von ihnen gemeldeten Rednerinnen und Redner noch einmal zu überdenken. Die Dauer des zusätzlichen Redebeitrages sollte begrenzt werden auf „in der Regel“ drei Minuten. Eine darüber hinausgehende Verlängerung der Redezeit sollte möglich sein, wenn der Verhandlungsgegenstand und der Verlauf der Aussprache dies nahelegen. Dabei sollte z.B. auch eine Rolle spielen die Bedeutung der Debatte, aber auch die Anzahl der zusätzlichen beantragten Wortbeiträge im Verhältnis zu den anderen Kolleginnen und Kollegen und den Fraktionen. Es hätte also insgesamt keine starre zeitliche Vorgabe für einen Redner außerhalb der Rednerreihenfolge bestanden.
Eine transparente und – natürlich auch kontroverse – Diskussionskultur im politischen Meinungsbildungsprozess ist selbstverständlich notwendig und wünschenswert. Auch nach dem Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung war es keinesfalls beabsichtigt, das Rederecht von Abgeordneten in Frage zu stellen, insbesondere wenn sie eine von ihrer Fraktion abweichende Auffassung im Plenum vertreten wollten. Unser Anliegen war es vielmehr, für eine transparente und geordnete Rednerreihenfolge Sorge zu tragen.
Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen und verdeutlicht zu haben, dass es mit der geplanten Änderung der Geschäftsordnung keinesfalls zu einer Beschneidung der Rechte der Abgeordneten kommen sollte. Wie ich zu Anfang dargelegt habe, wäre dies mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren. Ich kann Ihnen jedoch mitteilen, dass es aufgrund eines sehr hohen Diskussions- und Abstimmungsbedarfes derzeit nicht zu der geplanten Änderung kommen wird.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Peter Altmaier, MdB