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Frage von Tobias A. •

Frage an Peter Altmaier von Tobias A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Altmeier

"Wie stehen Sie grundsätzlich zum Thema Volksentscheide auf Bundesebene?
Und inwieweit ist Ihre persönliche Einstellung deckungsgleich mit Ihrer "Parteilinie"?
Mir ist durchaus klar, dass Volksentscheide kein Allheilmittel für die Demokratie sind und ja im konkreten Fall auch zu Problemen führen können. (Z.B. Minarette in der Schweiz)
Aber würde es in einer gefestigten Demokratie wie der unseren, aber mit sinkender Wahlbeteiligung und einer gewissen Politikverdrossenheit nicht dazu beitragen, dass sich die Bürger wieder etwas mehr für Demokratie und Politik interessieren und begeistern können?

In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Eifler zitieren:

„Das Vertrauen ins Volk ist einer der Eckpfeiler der Demokratie“, sagt Michael Efler, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie.
In Meinungsumfragen äußern konstant zwischen 70 und 85 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass sie bei wichtigen Zukunftsfragen mitbestimmen wollen.
Wenn Sie grundsätzlich dagegen sind, hätte ich sehr gerne ein ausführliche Begründung von Ihnen für Ihre Haltung.
Wenn Sie grundsätzlich dafür sind, wann starten Sie eine entsprechende Gesetzesinitiative?"

Mit freundlichen Grüßen
Tobias

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Fragesteller,

zunächst einmal möchte ich Ihnen für Ihre Frage zu diesem interessanten Thema danken!

Auf Ihre Frage möchte ich nunmehr im Einzelnen wie folgt antworten:

1. Das grundlegendste Fundament unserer Demokratie ist selbstverständlich die Beteiligung des Volkes an der politischen Willensbildung und am Willensbildungsprozess und zwar zunächst einmal unabhängig von der Frage, ob dies im Rahmen einer repräsentativen Demokratie, oder aber in Form von Plebisziten geschieht.

Sicherlich ist Ihrer Auffassung, dass auch Plebiszite mitunter zunächst einmal einige Vorteile mit sich bringen können, nicht von der Hand zu weisen.

- Das Volk wird direkt an der Willensbildung beteiligt und setzt in erster Linie seinen tatsächlichen Willen unmittelbar um.
- Die Einführung/Ausweitung von Plebisziten könnte ggf. dazu führen, dass das Interesse an der Teilhabe zur politischen Willensbildung größer wird und das „müde Wahlvolk“ sich wieder stärker an demokratischen Prozessen beteiligt, wobei ich Ihre genannten Zahlen nicht überprüfen kann, Ihnen aber aus eigener Erfahrung mitteilen kann, dass ich aufgrund meiner politischen Arbeit vor Ort diese Zahlen nicht bestätigen kann.
- Andererseits ist nicht zu verleugnen und diesen Umstand befinde ich auch richtig, dass Plebiszite auf landes- und vor allem auf kommunaler Ebene durchaus sinnvoll sind und auch mitunter immer weitere Verbreitung finden.
Innerhalb dieser Bereiche handelt es sich aber um solche, die das
Gemeinwesen eines eher eng umgrenzten Personenkreises betreffen, es sich also um eine Art Wahrnehmung des „Gemeindewesen“ handelt (zu den Differenzierungen gegenüber der Bundesebene werde ich die weiteren Unterschiede noch dezidiert ausführen)

2. Dennoch möchte ich anmerken, dass ich ein Anhänger der repräsentativen Demokratie bin und dies aus folgenden Gründen
- Wie durch Sie selbst angesprochen (Beispiel Minarettverbote in der Schweiz), bergen Plebiszite immer die Gefahr in sich, dass ein bestimmtes -auch politisch- brisantes Thema auf diesem Weg instrumentalisiert wird und durch gewisse Gruppen polemisiert wird. Mitunter wird man auch nicht verleugnen können, dass im Zuge bzw. im Nachgang der Plebiszite Entscheidungen, die als richtig erachtet wurden, letztendlich so nicht getroffen worden wären, wäre das gegenständliche Thema „vernünftig ausdiskutiert worden“. Auch in diesem Zusammenhang bin ich im Übrigen gespannt, wie sich die Diskussion über das Minarettverbot in der Schweiz entwickeln wird.
- Gerade die repräsentative Demokratie hat sich, mitunter auch aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und darüber hinaus mit den Erfahrungen von Plebisziten während der Weimarer Republik, als bewährt erwiesen. Der Wirkungskreis für Demagogen wird erheblich eingeschränkt, zumal es sich bei Entscheidungen auf der Bundesebene mitunter um solche handelt, die auf internationaler (außen)politischer Ebene erhebliche Bedeutung erlangen können; dieser Aspekt wird leider viel zu selten berücksichtigt.
- Die Vergangenheit und im Übrigen auch verschieden Studien haben belegt, dass die Beteiligung der Gesetzgebungsorgane und ggf. auch und vor allem der einzelnen (Vermittlungs)Ausschüsse dazu geführt hat, dass die Ergebnisse eines etwaigen Gesetzesvorhabens durch Findung etwaiger Kompromisse und Beteiligung aller widerstreitenden Interessen im Rahmen einer Konsensuallösung wesentlich bessere Ergebnisse geschaffen hat und schafft, als dies in Form von Plebisziten möglich wäre. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Komplexität der zu regelnden Materien und Sachkomplexe.
- Gerade das bestehende und ausgeklügelte System der föderalen und repräsentativen Demokratie mit seinen „checks and balances“ hat dazu geführt, dass in unserer Gesellschaft eine weitestgehend aufgeklärte Diskussionsatmosphäre besteht, die das System der Plebiszite nur unter erheblich schwierigeren Umständen gewährleisten kann.
- Schluss und letztendlich muss auch berücksichtigt werden, dass das Grundgesetzt im Rahmen der Gesetzgebung zwingend vorsieht, dass die Länder bei der Gesetzgebung zu beteiligen sind (Art. 50, 79-78 GG) und dieses Prinzip unabänderlich ist (Art. 79 Abs. 3 GG- „Ewigkeitsprinzip“). Dieser Grundsatz ist mitunter aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit bewusst durch die „Väter des Grundgesetz“ gewählt worden und deshalb unabänderlich.
Plebiszite auf Bundesebene -und dies ist auch einer der entscheidenden Unterschiede zu solchen auf länder- oder kommunaler Ebene- würden die Beteiligung der Länder aufheben.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen in ausreichendem Umfang beantworten

Mit freundlichen Grüßen

Peter Altmaier
MdB