Frage an Peggy Bellmann von Steffen R. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Liebe Peggy Bellmann,
Neben vielen Plakaten mit Ihrem hübschen Gesicht hängen in Dresdens Straßen auch solche mit konkreten Aussagen. U.a. die Ablehnung einer Mehrwertsteuer-Erhöhung. Andererseits wird im Wahlprogramm der FDP aber ein einfaches und gerechtes Steuersystem versprochen.
Wie deckt sich das? - gibt es eine gerechtere oder einfachere Steuer als die Mehrwertsteuer? Die MWSt ist absolut einfach zu berechnen, kostet dem Staat keinen zusätzliche Verwaltungsaufwand und betrifft ausnahmslos alle: Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Rentner, Kranke. Alles, selbst Importwaren (Zoll-Ersatz!), wird besteuert.
Also also nur positive Aspekte soweit... Was steckt denn konkret hinter der Verweigerungshaltung der FDP? Hoffen sie etwa, daß bei einer Regierungsbeteiligung dieses Wahlversprechen hinfällig wird?
- ich erinnere mich noch an die Worte von Angela Merkel, die den Dresdnern auf dem Schloßplatz eine Mehrwertsteuer-Erhöhung "versprochen" hat.
viele Grüße,
Steffen Roos
Lieber Herr Roos,
wir hoffen nicht darauf, dass bei einer Regierungsbeteiligung unser
Versprechen, die Mehrwertsteuer NICHT zu erhöhen hinfällig wird, sondern wir
sind überzeugt, dass wir mit einer möglichst starken FDP dieses Versprechen
halten werden.
Wie Sie die Mehrwertsteuer darstellen, klingt es in der Tat gerecht. Mit der gleichen Begründung könnte man auch eine Flattax, also einen einheitlichen Einkommensteuersatz für alle, befürworten. Für beides ist jetzt aber nicht der richtige Zeitpunkt. „Eigentum verpflichtet“ ist das Prinzip unseres Sozialstaates. Diejenigen, die sehr gut verdienen, sollen zur Finanzierung der Armen und Schwachen und zur Finanzierung hoheitlicher Aufgaben (Bildungswesen, Krankenhäuser, Polizei, etc.) beitragen. Jeder soll gemäß seiner Leistungsfähigkeit besteuert werden. Dafür stehen unsere drei Steuersätze mit 15%, 25% und 35% und der Steuerfreibetrag in Höhe von 7.700 € für jeden Erwachsenen UND jedes Kind. Die sozial Schwachen hingegen erhalten einen finanziellen Ausgleich vom Staat, quasi in Form einer negativen Einkommenssteuer: Das Bürgergeld.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist sicherlich kein Problem für wohlhabendere Bevölkerungsschichten. Nein, die Mehrwertsteuererhöhung trifft vor allem die Armen und Schwachen bzw. die nicht mehr Erwerbstätigen, die Rentner, die Arbeitslosen, die Geringverdiener. Und das sind die Bevölkerungsschichten, die ohnehin zur Zeit unter Mehrausgaben durch hohe Energie- und Benzinpreise leiden. Man sollte auch nicht die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft außen vor lassen. Selbst wenn die Beträge um die es sich handelt vielleicht nicht riesig sind, hat die Mehrwertsteuererhöhung negative psychologische Effekte. Allein das Gefühl, dass schon wieder alles teurer wird, kann vom konsumieren abhalten. Diese Haltung in Verbindung mit der tatsächlich geschmälerten Kaufkraft bedeutet weniger Umsatz und in der Folge weniger Gewinn bei den Unternehmen. Das wiederum heißt geringere Einkommens- und Körperschaftssteuereinnahmen für den Staat. Lapidar gesagt beißt sich eine Mehrwertsteuererhöhung also selbst in den Schwanz.
Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer will die CDU die Senkung des Arbeitgeberbeitrages zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte finanzieren. Dieses Vorhaben unterstützen wir auch, denn hohe Lohnnebenkosten sind ein Wettbewerbsnachteil in einer globalisierten Wirtschaft. Aber wir haben gezeigt, dass man den Arbeitgeberbeitrag auch senken kann, ohne die Mehrwertsteuer zu erhöhen, z.B. indem man die Arbeitslosenversicherung von versicherungsfremden Leistungen wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Weiterbildungs- und Frühverrentungsprogrammen befreit.
Aus den geschilderten Gründen lehnen wir derzeit jede Erhöhung der Mehrwertsteuer ab, egal ob um zwei Prozentpunkte wie von der CDU gefordert oder die von der SPD geplante Mehrwertsteuererhöhung, bei welcher der Mehrwertsteuersatz verschiedener Produkte von derzeit 7% auf 16% angehoben werden soll. Ich kann nur hoffen, dass es nicht zu einer großen Koalition kommt und dann in Kombination beider Forderungen für viele Produkte statt 7% 18% Mehrwertsteuersatz gilt… ;-)
Ich möchte Ihnen aber Recht geben. Die Mehrwertsteuer ist in der Tat vom Grundgedanken eine einfache und gerechte Steuer. Über eine Erhöhung der indirekten Steuern (also z.B. die MwSt.) kann man aber erst nachdenken, wenn sich ein einfaches und gerechtes Einkommessteuersystem etabliert hat UND wenn endlich wieder mehr Menschen in Beschäftigung sind, so dass keine Bevölkerungsgruppe überproportional von einer Erhöhung der indirekten Steuern getroffen würde. Das ist aber leider noch Zukunftsmusik.
Ich hoffe Ihre Frage zufrieden stellend beantwortet zu haben,
mit freundlichen Grüßen,
Ihre Peggy Bellmann