Sollten Personen, die über 100.000€ verdienen und damit für ihre bedürftigen Eltern unterhaltspflichtig sind, nur mit dem Mehreinkommen statt mit dem vollständigen Einkommen Unterhalt leisten müssen?
Sehr geehrter Herr Lehrieder,
Ende 2019 ist das Angehörigen-Entlastungsgesetz verabschiedet worden. Das Gesetz befreit Angehörige bedürftiger Senioren von den Kosten der Unterhaltspflicht für Grundsicherung und Pflege. Nur Angehörige mit einem Jahreseinkommen von unter 100.000€ werden befreit. Angehörige mit einem höheren Jahreseinkommen sind hingegen vollständig unterhaltspflichtig, sowohl mit Einkommen als auch mit ihrem Vermögen.
Obgleich es nachvollziehbar ist, Gutverdiener in sozialen Themen stärker zu involvieren, erscheint dieser dramatische Unterschied in der Behandlung von Leuten mit einem Einkommen von 99.000 und einem Einkommen von 101.000 ungerecht.
Meine Frage: halten Sie es für richtiger und gerechter, dass nur das Mehreinkommen oberhalb von 100.000€ für Unterhaltspflichten herangezogen werden sollte, anstelle des gesamten Einkommens? Eine juristische Diskussion dieser Frage findet sich hier: https://www.eltern-unterhalt.org/100-000-euro-grenze.html
Sehr geehrter Herr N.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Am 7. November 2019 wurde im Deutschen Bundestag das Angehörigen-Entlastungsgesetz beschlossen. Kinder und Eltern, die gegenüber pflegebedürftigen Leistungsbeziehern nach dem SGB XII unterhaltsverpflichtet sind, werden seither entlastet. Der Unterhaltsrückgriff in der Sozialhilfe wird für alle Betroffenen ausgeschlossen, deren Jahresbruttoeinkommen 100.000 Euro nicht übersteigt. Auch in der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX wird diese Entlastung durch einen Verzicht auf Elternbeiträge und Unterhaltsheranziehung bei volljährigen Leistungsbeziehern vollzogen.
In dem von Ihnen empfohlenen Beitrag wird ausgeführt, dass Personen mit einem Bruttojahreseinkommen von 99.000 Euro keinen Elternunterhalt zahlen, während diejenigen, die auf 101.000 Euro Bruttojahreseinkommen kommen, zum Elternunterhalt herangezogen werden. Ich gehe davon aus, dass Sie knapp über der Einkommensgrenze von 100.000 Euro liegen und kann Ihr Unverständnis und Ihren Unmut durchaus nachvollziehen.
Die Einkommensgrenze von 100.000 Euro wurde zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht willkürlich gesetzt - die Grenze als Berechnungsgrundlage wurde nach monatelangem Ringen beschlossen. Ähnliche Diskussionen zur Belastungsgerechtigkeit begleiten beispielsweise auch die BaFög-Einkommensgrenze.
Gern werde ich Ihren Kritikpunkt mit meinen Kolleginnen und Kollegen diskutieren. Als konstruktive Oppositionsführerin ist der Einfluss der CDU/CSU-Fraktion auf politische Entscheidungen jedoch derzeitig begrenzt.
Sofern Sie zum "Angehörigen-Entlastungsgesetz" weitere Fragen haben, möchte ich Sie bitten, sich direkt an den für Ihren Wahlkreis zuständigen Abgeordneten zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Lehrieder MdB