Frage an Paul Lehrieder von Hanna K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lehrieder
die geplante Impfpflicht bricht unser im Grundgesetz verankertes Bürgerrecht (Die Würde des Menschen ist unantastabar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt). Die Demokratie würde damit ausgehebelt.
Der These, dass Impfungen Krankheiten verhindern, darf keine Antithese entgegengestellt werden, um zu einer Synthese zu kommen. Wirkliche Placebokontrollen haben nie stattgefunden. (...) Ungeachtet dessen soll die These zur Pflicht gemacht werden.
Wofür setzen Sie sich ein?
Ich freue mich über Ihre informierte Antwort.
Herzliche Grüße von H. K.
Sehr geehrte Frau K.,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Gerne möchte ich Ihnen die Überlegungen zur geplanten Masernimpfpflicht näherbringen.
Zuerst möchte ich darauf hinweisen, dass für Masern-, Mumps-, Röteln- sowie Varizelleninfektionen und deren Komplikationen keine spezifischen Therapien zur Verfügung stehen und deshalb die Prävention durch Schutzimpfungen von überragender Bedeutung ist.
Ca. 1,7 Millionen Menschen können nicht selbst gegen Masern geimpft werden und sind deshalb auf eine hohe Impfquote in ihrer Umgebung angewiesen. Dies betrifft vor allem Neugeborene, ältere (multimorbide) Menschen, chronisch Erkrankte und Schwangere.
Folglich ist die sog. „Herdenimmunität“ gerade für solche Menschen sehr wichtig.
Wenn alle Menschen geimpft wären, wäre eine stumme Infektion auch nicht weiter von Bedeutung, da die Wahrscheinlichkeit, dass davon eine bereits geimpfte Person erkranken würde, sehr gering ist. Genauso fällt die geringe Wahrscheinlichkeit, trotz einer Impfung an Masern zu erkranken, nicht ins Gleichgewicht mit der Wahrscheinlichkeit, durch erkrankte Menschen ungeimpft angesteckt zu werden. Die Basisreproduktionszahl des Masernvirus liegt bei 15, das bedeutet eine Weitergabe des Erregers von einem Infizierten an 15 andere Personen, welche (ungeimpft) mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% erkranken.
Es gibt Vorwürfe, dass das Gesetz nur für die Pharmaindustrie gemacht wäre. Der Profit der Pharmaindustrie ist an Impfstoffen eher gering. Von den 226 Mrd. Euro, welche die GKV für Leistungen jährlich ausgibt, werden gerade einmal 1,5 Mrd. für Schutzimpfungen und 38,7 Mrd. für Arzneimittel investiert. Aus Sicht der Pharmaindustrie ist das Geschäft mit Impfstoffen auch deshalb weniger attraktiv, weil die Herstellung von Impfstoffen weitaus komplexer und teurer ist als die von Arzneimitteln. Andererseits sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass durch Impfungen kostenintensive Behandlungen sowie auch Leid von Patienten und Angehörigen vermieden werden. Dies wurde in vielen gesundheitsökonomischen Evaluationen errechnet. Gerade dieses Leid möchten wir weiter verringern.
Leider ist trotz der ständigen Debatte, der Freiwilligkeit der Impfung und vielen Aufklärungsversuchen die Häufigkeit der Impfungen nicht so gestiegen wie es gewünscht wäre. In den letzten Jahren ist kein regelmäßiger Trend der Masernfälle zu sehen. So gab es 2011 1608 Fälle, 2012 „nur“ 165 und bereits 2013 wieder über 1768 Fälle. Allein dieses Jahr gab es bis Juli 457 Masernfälle, während es hingegen im Jahr 2018 insgesamt „nur“ 543 waren. Hier ist also bereits wieder ein Anstieg zu sehen.
Der Lebendimpfstoff gegen Masern wird seit über 40 Jahren weltweit verabreicht und ist sicherer als je zuvor. Für alle generell empfohlenen Schutzimpfungen sind inzwischen quecksilberfreie Impfstoffe verfügbar. (Hier ist zu ergänzen, dass durch die Nahrung teilweise sogar mehr Quecksilber aufgenommen wird, als in den Impfstoffen überhaupt vorhanden wäre.) Die Impfstoffe stehen unter ständiger Prüfung, somit wird auch sichergestellt, dass auch nach der Zulassung die Impfstoffe einer kontinuierlichen Sicherheitskontrolle unterliegen und alle nachgewiesenen Stoffe in ihrer Menge nicht gesundheitsschädlich sind.
Auch wird von dem Vorwurf Abstand genommen, dass der Impfstoff für Autismus verantwortlich sei. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, das US-amerikanische „Institute of Medicine“ sowie die europäischen Arzneimittelbehörde EMA sind unabhängig voneinander zu dem Schluss gelangt, dass kein Zusammenhang besteht. Darüber hinaus haben sich zahlreiche Studien mit dieser Thematik befasst und den Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und autistischen Störungen verneint.
Der einhergehende Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit wird in seinem Wesensgehalt des Grundrechts nicht angetastet, da die Zielsetzung eines solchen Eingriffes gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist. Zwar ist ein mittelbarer Eingriff in das Grundrecht (Art. 2 Abs. 2 GG) vorliegend, dieser Eingriff verfolgt allerdings das öffentliche Ziel des Gesundheitsschutzes und ist somit angemessen und gerechtfertigt.
Weiter können die Kinder durch Infektionen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden und es sind gesundheitliche Komplikationen bis hin zu Todesfällen möglich. Dies soll durch die Impfungen vermieden werden.
Für mich ist wichtig, dass ein Impfgesetz immer überwacht und überarbeitet wird. Sollten sich anderweitig genauso wirksame Lösungen finden lassen, sind diese natürlich immer mit zu beachten.
Da es hier aber vor allem um die Gesundheit der Bevölkerung und denen geht, die sich nicht impfen lassen können, überwiegt das Gemeinwohl und die Schutzimpfung, um die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung für alle möglichst gering zu halten.
Ich hoffe ich konnte Ihnen Ihre Fragen beantworten und Ihnen weiterhelfen.
Bei Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne weiterhin zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Lehrieder