Frage an Paul Lehrieder von Marcus K. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Lehrieder,
ich wende mich an Sie als Vorsitzenden des Ausschusses "Familie, Senioren, Frauen und Jugend".
Es handelt sich um folgenden Sachverhalt:
- Ich bezog vom 14.04. bis 13.08.2016 Elterngeld
- Nun beglich ein Kunde (ich arbeitete vorher als Freiberufler) im Mai 2016 eine Rechnung für den Zeitraum vor dem 13.04.2016 (letzteres kann ich durch Leistungsnachweise nachweisen)
- Was mir nicht bewusst war: Bei Selbstständigen wird eine Einnahmenüberschussrechnung für den Zeitraum des Elterngeldbezugs verlangt. Daher führt die beglichene Rechnung dazu, dass mein Elterngeld auf das Minimum (300 EUR), obwohl die zugehörigen Leistungen vor dem Zeitraum des Elterngeldbezugs lagen.
Meine Fragen an Sie
1. Entspricht es der Absicht des Gesetzgebers, dass Eltern, die sich Vollzeit um ihre Kinder kümmern, das Elterngeld auf das Minimum reduziert wird, weil sie vor dem Zeitraum gearbeitet haben und lediglich die Entlohnung hierfür innerhalb des Zeitraums des Elterngeldsbezugs lag?
2. Ist es Absicht des Gesetzgebers, dass Selbstständige implizit gezwungen werden, ihre Zahlungsströme zu „gestalten“ (wodurch Leistung und Zahlung zeitlich auseinander gezogen werden), um keinen finanziellen Nachteil zu erleiden?
3. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass rückwirkend und künftig nicht das steuerliche Zuflußprinzip zugrunde gelegt wird, sondern nur die Zeiträume ausschlaggebend sind, in denen die Kinder betreut wurden bzw. gearbeitet wurde (wie dies bei Angestellten standardmäßig der Fall ist).
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Kaiser
Sehr geehrter Herr Kaiser,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich bedauere, dass Sie durch die verspätete Zahlung Ihres Kunden Geld eingebüßt haben.
Grundsätzlich gilt: Wer während des Elterngeldbezugs etwas dazu verdient, dem wird das klassische Elterngeld entsprechend gekürzt. Denn das Elterngeld soll den Verdienstausfall wegen der Betreuung des Kindes ersetzen und nicht zusätzlich zum Einkommen gezahlt werden. Trotzdem können Bezieher von Elterngeld innerhalb gewisser Grenzen arbeiten.
Bei Selbstständigen kommt es beim Zuverdienst immer darauf an, was sie an Gewinn erwirtschaften. Wer etwa weiterhin seine Büromiete zahlt, kann diesen Betrag von seinem Umsatz abziehen. Sofern nach Abzug aller Kosten ein Gewinn übrig bleibt, wird dieser mit dem Elterngeld verrechnet.
Viele Selbstständige stehen wie Sie vor dem Problem, dass ihre Kunden die Rechnungen oft erst sehr spät bezahlen - womöglich erst zu einem Zeitpunkt, wenn das Baby schon einige Monate alt ist und sie Elterngeld beziehen. Leider werden auch solche verspäteten Zahlungen voll auf das Elterngeld angerechnet. Entscheidend ist bei den Zahlungen nicht das Datum, das auf der Rechnung steht, sondern der Zeitpunkt, zu dem das Geld auf dem Konto eingeht. Daher können bzw. sollten Selbständige ihre Kunden darum bitten, die Zahlung auf einen Zeitpunkt zu verschieben, in dem sie kein Elterngeld erhalten. Umgekehrt dürfen Selbstständige arbeiten, während sie Elterngeld beziehen - so lange sie in dieser Zeit keine Überschüsse erwirtschaften.
Die von Ihnen geschilderte Problematik ist bekannt - verspätet überwiesene Honorare von Kunden führen immer wieder zu Streit zwischen Selbstständigen und Elterngeldstellen. Die Gerichte sind sich nicht einig: Das Sozialgericht München hat in einem solchen Fall die Kürzung des Elterngeldes abgelehnt (Az. S 30 EG 37/08; nicht rechtskräftig). Das Sozialgericht Freiburg im Breisgau hatte an der Praxis der Elterngeldstelle nichts auszusetzen (Az. S 9 EG 3918/09).
Neben der Beschreitung des Rechtsweges haben Sie die Möglichkeit, eine Petition an den Deutschen Bundestag einreichen. Der Petitionsausschuss, dem ich seit 2005 angehöre, prüft und berät die Bitten und Beschwerden der Bürger. Dieser Ausschuss erfährt somit aus erster Hand, wie sich Gesetze auf den Bürger auswirken, ob sie das beabsichtigte Ziel erreichen oder zu neuen Problemen führen. Viele Gesetze konnten auf diesem Wege bereits nachgebessert werden.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen sowie allen guten Wünschen für das bevorstehende Weihnachtsfest und das neue Jahr
Paul Lehrieder, MdB