Frage an Paul Lehrieder von Wolf Michael K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Lehrieder,
jüngst wurden mit sofortiger Wirkung weitere Kreditlinien für die Griechen auch von Ihrer Partei zugesagt, die schon seit Jahrzehnten überfällige Steuerentlastung des Mittelstandes jedoch wird auf 2013 verschoben, und es ist nicht einmal klar, wie niedrig diese Entlastung ausfallen wird.
Zu dieser Faktenlage zwei Fragen:
1/ Wäre es nicht sinnvoller gewesen, den Betrüger in Person der griechischen Regierung, der sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen die Aufnahme in die europäische Währungsunion erschlichen hat, rauszuwerfen?
2/ Warum stehen die Interessen der deutschen Steuerzahler hintenan?
Mit freundlichen Grüßen,
Wolf Michael Kröger
Sehr geehrter Herr Kröger,
vielen Dank für Ihr erneutes Schreiben vom 04.Juli 2011 zum Thema Euro-Rettungsschirm für Griechenland. In Hinblick auf die Eurozone, ist es für Deutschland, als eine der erfolgreichsten europäischen Volkswirtschaften, von enormer Bedeutung, die Stabilität des Euros zu erhalten. Der Euroraum trägt wesentlich zum deutschen Exporterfolg bei – demnach ist der Euro mit dafür verantwortlich, dass wir die Finanz- und Wirtschaftskrise im internationalen Vergleich gut bewältigt haben. Ihr Vorschlag, Griechenland aus der europäischen Währungsunion „rauszuwerfen“, würde sich destabilisierend auf das gesamte europäische System auswirken – was wiederum auch negative Konsequenzen für Deutschland zur Folge hätte.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben gemeinsam ein Paket zur Stabilisierung der Eurozone verabschiedet. Hiermit sollen im Wesentlichen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Haushaltskrisen innerhalb der Eurozone in Zukunft gar nicht erst entstehen. Sollte es doch zu finanziellen Notlagen einzelner Länder kommen, durch die die Stabilität der gesamten Eurozone gefährdet wäre, greift ab 2013 ein Europäischer Stabilisierungsmechanismus (ESM). Die Bundesregierung hat sich bei den Verhandlungen zu diesem Paket stark dafür eingesetzt, dass die deutschen Interessen vertreten sind: Sie verhinderte die Schaffung einer Transferunion bzw. die Etablierung einer dauerhaften Haftungsgemeinschaft – vergleichbar mit dem Länderfinanzausgleich. Somit wird der ESM nur dann aktiviert, wenn zahlreiche Konditionen sowie strikte wirtschafts- und haushaltspolitische Auflagen erfüllt wurden. Außerdem besitzt Deutschland bei einer solchen Aktivierung volles Vetorecht. Hinzu kommt, dass Änderungen nur unter Parlamentsbeteiligung beschlossen werden können. Somit ist ein Durchsetzen der zentralen deutschen Interessen gewährleistet.
Im letzten Monat hat der Deutsche Bundestag außerdem beschlossen, die mögliche Vergabe weiterer Kredite an Griechenland davon abhängig zu machen, ob die griechische Regierung weitere Strukturreformen einleitet, sowie von einer Beteiligung privater Gläubiger. Am Ende des Tages muss also Griechenland selbst die Grundlage für eine dauerhafte Wiederherstellung seiner Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Trotzdem profitieren alle Eurostaaten von einer Unterstützung Griechenlands: käme es zu einer ungeordneten Staatsinsolvenz, hätte dies schwerwiegende Konsequenzen für die Stabilität des Euros, europäischer Banken und Unternehmen. Somit wären die Menschen in Deutschland tatsächlich unmittelbar betroffen – dies gilt es abzuwenden, sicher auch in Ihrem Interesse, Herr Kröger.
Ich hoffe, dass durch dieses Schreiben die Vorgehensweise der Bundesregierung nun für Sie plausibler geworden ist und Sie die ein oder andere Entscheidung zum Thema Euro-Rettungsschirm besser nachvollziehen können.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Lehrieder MdB