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Paul Lehrieder
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Frage von Peter K. •

Frage an Paul Lehrieder von Peter K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Lehrieder,

im Rahmen der Tour de Natur nahm ich an der Gesprächsrunde zur B26n und zur Verkehrspolitik in Leinach teil. Da Sie Abgeordnetenwatch als Kommunikationsmedium genannt hatten, möchte ich diesen Weg für eine Nachfrage nutzen.

Ich stellte damals die Frage nach der Position der anwesenden Politiker zur Bahnprivatisierung. Wenn ich Ihre Aussage richtig interpretiere, hielten Sie eine Privatisierung der DB zum jetzigen Zeitpunkt für falsch und auch grundsätzlich nicht für sinnvoll, da mit einer Bahn in privater Hand keine effektive Kontrolle und Weiterentwicklung des Schienenpersonenverkehrs durch das Parlament und die Politiker möglich sein.

Wenn Sie jetzt der Meinung sind eine Bahnprivatisierung sein nicht sinnvoll, dann haben Sie offensichtlich Ihre Meinung geändert, da Sie bei der Abstimmung im Bundestag am 30.5.2008 für eine Privatisierung stimmten. Diese Meinungsänderung war für mich zwar überraschend, jedoch wäre sie durchaus erfreulich. Könnten Sie Ihre Position noch einmal verdeutlichen?

Wäre es da nicht ehrlich und folgerichtig, den einmal gefällten Beschluss, der die Bundesregierung nach wie vor ermächtigt 24,9% der Verkehrssparte der DB zu verkaufen, wieder zurück zu nehmen?

Mit dieser Revision würde klargestellt, das die DB nicht an die Börse soll. Dem Vorstand der DB würde damit klar gezeigt, dass eine weitere Konzentration auf die Dividende und eine Fortsetzung des Sparkurses zu Lasten der Sicherheit nicht gewünscht ist.

Welche Schritte sind geplant, um die Aktivitäten der DB durch den Bundestag zu bestimmen und damit eine Weiterentwicklung des Schienenverkehrs durch die Bürger zu ermöglichen?

Mit freundlichen Grüßen

Peter Kröger

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Sehr geehrter Herr Kröger,

vielen Dank für Ihre E-Mail, mit der Sie mich um meine Position zur Bahnprivatisierung und um Informationen zur Bahnreform bitten.

Bereits mit der Bahnreform im Jahre 1994 wurde eine Organisationsprivatisierung der früheren Deutschen Bundesbahn vorgenommen wurde. Der Vorstand der DB AG handelt seitdem im Rahmen seiner unternehmerischen Verantwortung nach dem Aktiengesetz. In Zusammenhang mit der Organisationsprivatisierung wurde da­mals auch das Eigentum an der Schieneninfrastruktur an die DB AG übertragen.

Dies war ein notwendiger Schritt, denn die konsequent vorangetrie­bene unternehmerische Ausrichtung der Bahn und die daraus folgenden organisatorischen Veränderungen und technischen Innovationen haben dazu geführt, dass der Bundeshaushalt und damit letztendlich der Steuerzahler entlastet wurden.

Der folgerichtige weitere Schritt der Privatisierung war die angestrebte Hereinnahme von pri­vatem Kapital. Das ist seit Beginn der Bahnreform auch für die DB AG so vorgesehen. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die aus Steuer­mitteln getätigten Investitionen in das Netz, d.h. in die Schieneninfrastruktur, nicht zum Spielball von Anleger-Interessen werden.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte im Vorfeld der von Ihnen angesprochenen Abstimmung im Deutschen Bundestag deswegen das Ansinnen des Bahnvorstandes und der SPD, den gesamten Bahn­konzern an die Börse zu bringen, von Anfang an zurückgewiesen. Vielmehr hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion durchgesetzt, dass bei dem weiteren Privatisierungsschritt das Eigentum an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen (DB Netz AG, DB Station & Service AG, DB Energie GmbH) auf den Bund übertragen wird. Das Unternehmen Deutsche Bahn AG erhält für einen gewissen Zeitraum lediglich das Recht zur Bewirtschaftung, Betriebsführung und Bilanzierung des Netzes. Die Option, am Ende der Bewirtschaftungszeit die ordnungspolitisch sinnvolle und von der Union immer gewollte Trennung von Netz und Betrieb zu beschließen, bleibt erhalten.

Darüber hinaus hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion deutlich gemacht, dass sie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes erst zustimmen könne, wenn folgende unverzichtbare Kernfor­derungen - ohne Wenn und Aber - erfüllt seien:

1. Der Bund muss uneingeschränkt seiner Infrastrukturverantwortung nachkommen kön­nen. Bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplanes darf er nicht auf das Belie­ben des DB-Konzerns angewiesen sein, sondern er muss für die vom Gesetzgeber beschlossenen vordringlichen Bedarfsplanmaßnahmen ein Durchsetzungsrecht er­halten.

2. Es muss transparent sein, was die DB AG für die Steuergelder leistet, die ihr für den Betrieb des Netzes auch künftig zur Verfügung gestellt werden.

3. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Laufzeit des Bewirtschaftungszeitraums und der Sicherungsübertragung der Eisenbahninfrastruktur an die DB AG muss verkürzt wer­den. Die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehenen 18 Jahre sind zu lang.

4. Dem Gesetzgeber dürfen keinerlei Vorgaben gemacht werden, wie er nach Ablauf des Bewirtschaftungszeitraums mit seinem Eigentum verfährt.

5. Die Rechte der Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, müssen verstärkt wer­den, um Wettbewerb auf der Schiene zu sichern- ein wichtiges Ziel der Bahnreform. Die Bundesnetzagentur muss ggfs. Trassenentgelte verhindern können, die einseitig die Wettbewerber der DB AG belasten und Anlass für höhere Fahrpreise sein könn­ten. Auch sollte eine Anreizregulierung, ähnlich wie im Bereich der Telekommunika­tion, eingeführt werden.

Nichtsdestoweniger war die Privatisierung der Deutschen Bahn AG schon zum damaligen Zeitpunkt unter Fachleuten mehr als umstritten. Auch meiner Auffassung nach bestand hier im Vorfeld der Abstimmung 2008 noch er­heblicher Klärungsbedarf. Ich hatte mich daher mit 28 meiner Kollegen der CDU/CSU-Bun­destagsfraktion im Verlauf der Fraktionssitzung vom 18. September 2007 bereits gegen die Einbringung des Gesetzentwurfes zur Bahnprivatisierung ausgesprochen

Dies insbesondere deshalb, da nach meinem Dafürhalten bis dato kein vernünftiger Netzzu­standsbericht der Bahn trotz mehrjähriger Diskussion über die Privatisierung vorgelegt wor­den war.

Gleichwohl stimmte ich 2008 der Bahnprivatisierung insgesamt zu - unter dem Vorbehalt, den Privatisierungsvorgang auch weiterhin kritisch zu beobachten und zu hinterfragen.

Der aktuelle Stand der Bahnreform stellt sich wie folgt dar:

Im Eisenbahnbereich will auch die unionsgeführte Bundesregierung die 1994 begonnene Bahnreform mit staatlicherVerantwortung für die Infrastruktur und privatrechtlicher Organisation der Deutschen Bahn AG konsequent fortsetzen. Um sich den Herausforderungen des europäischen Schienenverkehrsmarktes erfolgreich stellen zu können und weiteres Wachstum des Schienenverkehrs zu ermöglichen, sind wirtschaftlich starke und erfolgreiche Eisenbahnunternehmen notwendig. Deshalb hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass an den Transport- und Logistiksparten der Deutschen Bahn AG schrittweise und ertragsoptimiert privates Kapital beteiligt werden soll, sobald der Kapitalmarkt dies zulässt.

Wichtig ist bei diesem Vorhaben, dass die Infrastruktursparten (Netz, Bahnhöfe, Energie) nicht privatisiert werden. Der Bund kann so seiner im Grundgesetz festgelegten Verantwortung für den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur weiter nachkommen. Die Bündelung der Transport- und Logistikgesellschaften der DB AG unter der Holdinggesellschaft DB Mobility Logistics AG und die Beteiligung privater Investoren an dieser Gesellschaft in Höhe von bis zu 24,9 % ist Gegenstand eines Beteiligungsvertrages, der zwischen der DB AG und der DB Mobility Logistics AG auf der einen Seite und dem Bund - vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Bundesministerium der Finanzen - auf der anderen Seite am 17.06.2008 abgeschlossen wurde. Die Voraussetzungen für eine Beteiligung privater Investoren sind derzeit noch nicht gegeben. Ein Verkauf von Anteilen unter Wert kommt für die Bundesregierung nicht in Frage. Aktuell kommt es vor allem darauf an, dass die Deutsche Bahn ihre Ziele verstärkt auf eine bessere Kundenorientierung, eine höhere Zuverlässigkeit und Sicherheit richtet.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder MdB

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