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Paul Lehrieder
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Frage von Ralf S. •

Frage an Paul Lehrieder von Ralf S. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehter Herr Lehrieder,

rund 100000 Menschen (Angabe von Diakonie + Caritas auf http://www.aktion-bleiberecht.de) leben in der BRD mit einer Duldung. Ca. 60000 (gleiche Quelle) von ihnen seit über 6 Jahren, trotz Bleiberechtsregelung. Die Festsetzung eines weit zurückliegenden Einreisestichtages hat viele von vornherein ausgeschlossen. Die massiv kritisierte Praxis der Kettenduldungen wurde nicht beendet.

Auch eine große Zahl der derzeit Bleibeberechtigten lebt nach wie vor mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus. Angesichts der Wirtschaftskrise kann von vielen der geforderte Nachweis eines Arbeitsplatzes nicht erbracht werden. Diesen Menschen droht Ende 2009 der Rückfall in die Duldung und schlimmsten Falles sogar die Abschiebung.

Geduldete dürfen sich in der BRD nicht frei bewegen. Jahrelang wurden sie
durch Arbeits- und Ausbildungsverbote in soziale Abhängigkeit gezwungen.
Viele Betroffene fristen ein Dasein ohne Perspektive in Lagern und müssen
sich von Essenspaketen ernähren. Von ausreichender medizinischer
Versorgung sind sie ausgeschlossen. Das Asylbewerberleistungsgesetz
behandelt Flüchtlinge wie Menschen zweiter Klasse. Ein eigenständiges
Leben in Würe wird verhindert.

Wie sehen Sie den Zwang, in Lagern zu leben? Ist es nicht an der Zeit, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen und auch die Praxis der Kettenduldungen endlich zu beenden?

Vielen Dank für eine Rückmeldung!

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Sauer,

für Ihre E-Mail zu Kettenduldungen und zu Ihrer Forderung nach Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes danke ich Ihnen sehr herzlich.

Zunächst möchte ich zur Forderung nach Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes Stellung nehmen:

Aus innenpolitischer Sicht ist die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes derzeit nicht angezeigt. Es wurde eingeführt, um die Sicherung des Lebensunterhalts für Asylbewerber und vergleichbare Ausländergruppen, die keine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland haben, nach Art und Höhe in einem eigenständigen Gesetz zu regeln. Dies war und ist auch weiterhin erforderlich, um die Leistungen an die tatsächlichen Zwecke des Aufenthalts im Asylverfahren anzupassen und Missbrauch zu verhindern. Die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen haben kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, es wird in der Regel nur von einem kurzen vorübergehenden Aufenthalt ausgegangen und deshalb werden Leistungen zur sozialen Integration - anders als bei der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch XII - nicht gewährt. Dieses Kriterium trägt eine gruppenbezogene Differenzierung. Es ist aus unserer Sicht deshalb gerechtfertigt, dass die Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem SGB XII.

Was die Verlängerung der Altfallregelung für langjährig geduldete Ausländer betrifft, zunächst Folgendes zum Hindergrund:

Die Altfallregelung gilt für Personen, die zum Stichtag 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren bzw. (falls sie minderjährige Kinder betreuen) sechs Jahren in Deutschland leben und zudem bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllen (Deutschkenntnisse, Rechtstreue). Diejenigen, die ihren Lebensunterhalt zum Stichtag noch nicht aus eigenen Mitteln bestreiten konnten, erhielten zunächst eine „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“. Die Verlängerung einer „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“ über den 31. Dezember 2009 hinaus ist von der großen Koalition an die Bedingung geknüpft worden, dass der betroffene Ausländer bis zu diesem Termin seinen Lebensunterhalt überwiegend selbst bestreiten kann.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise sind im politischen Raum Forderungen laut geworden, die Altfallregelung über den 31. Dezember 2009 hinaus zu verlängern. Argumentiert wird vor allem damit, dass sich wegen der Krise die Chancen der Betroffenen am Arbeitsmarkt deutlich verschlechtert hätten. Einige Stimmen gehen so weit, eine vollständige Abschaffung der Altfallregelung zu fordern, d.h. den Betroffenen ein voraussetzungsloses Bleiberecht zu gewähren.

Eine Verlängerung der Altfallregelung wird von uns nicht ausgeschlossen, sollte aber erst im Herbst entschieden werden. Derzeit lässt sich noch nicht sicher prognostizieren, wie sich die Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Arbeitsmarktchancen der Betroffenen auswirken wird. Das Bundesministerium des Innern hat die Länder gebeten, hierzu im Laufe des Sommers Zahlen zu erheben, die dem Gesetzgeber nach der Wahl eine fundierte Entscheidung ermöglichen sollen. In jedem Fall gilt aber: Eine mögliche Verlängerung der Altfallregelung muss sich am Ziel der bisherigen Regelung orientieren. Ein Bleiberecht darf nicht unabhängig von den wirtschaftlichen Anstrengungen der Betroffenen gewährt werden.

Ausschlaggebend für die gesetzliche Altfallregelung war ein arbeitsmarktpolitischer Ansatz, der auf die Leistungsbereitschaft der Betroffenen setzt. Dieser Zusammenhang darf auch in Zukunft nicht aufgelöst werden.

Deutschland verfolgt eine humanitäre Zuwanderungspolitik und erfüllt alle seine diesbezüglichen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen. Es gewährt politisch Verfolgten Asyl- und Flüchtlingsschutz und beachtet die einschlägigen Abschiebungsverbote. Beim Adressatenkreis der Altfallregelung handelt es sich demgegenüber um Menschen, die sich ohne Aufenthaltstitel - also rechtswidrig - in Deutschland aufgehalten haben. In diesem Fall ist es legitim, einen dauerhaften Verbleib von der Erfüllung bestimmter Integrationsvoraussetzungen abhängig zu machen.

Niemandem derjenigen, die derzeit eine „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“ besitzen, droht am Jahresende sogleich die Abschiebung. Wenn nach den Bundestagswahlen eine politische Verständigung über eine Verlängerung der Altfallregelung erzielt wird, kann der Aufenthaltsstatus der Betroffenen problemlos auf administrativem Wege gesichert werden - selbst wenn die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen erst im Frühjahr 2010 in Kraft treten sollten. Das Aufenthaltsgesetz hält hierfür genügend Instrumentarien bereit, beispielsweise die Regelung in § 23 Absatz 1 (Aufenthaltsgewährung durch die Landesinnenministerien für bestimmte Ausländergruppen).

Es ist vernünftig, vor der Entscheidung über eine Verlängerung der Altfallregelung zunächst zu ermitteln, wie viele der Betroffenen voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, am Jahresende das gesetzliche Erfordernis der überwiegenden eigenständigen Lebensunterhaltssicherung zu erfüllen. Geltende Gesetze sollten nichts ins Blaue hinein, sondern in Kenntnis der einschlägigen Fakten geändert werden, schon weil hiervon die Details der gesetzlichen Ausgestaltung abhängen. Es gilt der Grundsatz „Sorgfalt vor Eile“, zumal - wie dargelegt - niemandem die unmittelbare Abschiebung droht.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder MdB

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