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Paul Lehrieder
CSU
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Frage von Eric U. •

Frage an Paul Lehrieder von Eric U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lehrieder,

am 3. Juli 2008 wurde das Wahlrecht laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Teilen als verfassungswidrig erklärt. Den Aussagen der Presse zu diesem Thema entnehme ich, dass eine Änderung des Wahlrechts vor der nächsten Bundestagswahl nicht mehr zustande kommen wird. Dies wird derzeit meiner Kenntnis nach in der Hauptsache durch die CDU/CSU aber auch durch Argumente seitens der FDP begründet. Mir fallen zwei Punkte an dieser Diskussion auf, zu denen ich Sie bitten möchte, Stellung zu nehmen:
Einerseits interessiert es mich, ob die Aussicht, dass insbesondere Ihre Fraktion von sogenannten Überhangmandaten bei den derzeitigen Umfrageverhältnissen profitieren würde einen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess hat? Wie begründen Sie die Zurückhaltung Ihrer Partei z.B. mittels Änderungsanträgen die von den Grünen angestoßene Wahlrechtsänderung in für Sie akzeptabler Form noch vor der nächsten Wahl umzusetzen?
Zum Zweiten würde ich gerne wissen, warum es möglich ist innerhalb weniger Wochen vom Verfassungsgericht angemahnte Änderungen am Lissabon-Vertrag durchzuboxen, während dies für das verfassungswidrige deutsche Wahlrecht so unmöglich scheint? Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier die angeführten mangelnden Beratungsmöglichkeiten angesichts der Komplexität eine glaubwürdige Rolle spielen. Die Fragen die sich aus diesem Punkt ergeben lauten: Ist das deutsche Wahlrecht wirklich komplexer als der Grundrechtevertrag der EU? Und ist dieser wirklich wichtiger, als dass sich Parlament und damit Regierung eine legitimationsbegründete, weil verfassungsmäßige Grundlage ihrer Machtausübung schaffen?

Mit freundlichen Grüßen,

Eric Ufer

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Ufer,

für Ihre E-Mail zum Thema "Überhangmandate" danke ich Ihnen sehr herzlich.

Hierzu möchte ich Ihnen folgendes mitteilen:

Sie beziehen sich u. a. auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. 7. 2008. Das BVerfG hat völlig zu Recht eine längere Frist zur Reform des Wahlrechts eingeräumt. Denn es geht sozusagen ans "Eingemachte" der Demokratie. Jede Änderung hat verzweigte Folgewirkungen. Hierfür müssen wir mit Hilfe von Fachleuten in Ruhe überlegen.

Die Reformmöglichkeiten zur Beseitigung des so genannten negativen Stimmgewichts sind vielfältig und sehr komplex. Der Entwurf der Grünen lässt zu viele verfassungsrechtliche Problemfelder offen. Als verfassungsrechtlich hoch problematisch erwiesen sich die Vorschläge zur Aberkennung von im ersten Schritt bereits zugeteilten Listenmandaten aus Kompensationsgründen. Der von Befürwortern des Grünen-Entw urfs unterstützte Vorschlag, in besonderen Konstellationen selbst Direktwahlkreisgewinnern das Mandat abzunehmen, ist meiner Ansicht nach verfassungsrechtlich nicht zu vertreten. Für mich ist der Gedanke zwingend, dass ein Erststimmenbewerber, der in seinem Wahlkreis direkt gewählt worden ist, auf jeden Fall im Bundestag sitzen muss.

Der Gesetzentwurf der Grünen würde darüber hinaus zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Landeslisten in den unterschiedlichen Bundesländern führen. Er missachtet damit die föderale Gerechtigkeit. Manche Bundesländer wären sogar doppelte Verlierer, weil aufgrund ihrer Struktur praktisch nie Überhangmandate anfallen, sie nunmehr aber zusätzlich noch als Steinbruch für die Kompensation von Überhangmandaten in anderen Ländern herhalten müssten. Der Gesetzentwurf wird damit den hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine verfassungskonforme Neuregelung gestellt hat, nicht gerecht. Eine halbherzige und mit heißer Nadel gestrickte Änderung würde neue Unsicherheiten herbeiführen; Wahlanfechtungen wären dann vorprogrammiert.

Der Entwurf berücksichtigt zudem die zusätzlichen Korrekturanforderungen des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht nicht. Dies gilt etwa für die Frage des doppelten Erfolgswertes von Stimmen für Wahlkreiskandidaten von Parteien, die an der 5 %-Klausel scheitern, aber gleichwohl ein oder zwei Direktmandate erringen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ein ordentliches parlamentarisches Beratungsverfahren dieses für die Demokratie hochwichtigen Themas. Dies nur zu Beginn der neuen Wahlperiode, um alle vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich genannten Handlungsoptionen offen diskutieren und aus ihnen auswählen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder MdB

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