Frage an Paul Klemens Friedhoff von Christoph H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Friedhoff,
seit wann nehmen die Kammern Lehrlingsprüfungen ab? Soweit ich weiß, machen das besonders interessierte Ausbilder aus den Mitgliedsbetrieben selbst, ehrenamtlich oder für einen Hungerlohn im Vergleich zu den völlig überhöhten Gehältern der Kammerangestellten. Für das Papier und die Stempel brauchen wir nun wirklich keine Kammern. Das können unsere Gewerbevereine besser und billiger - wie in der Schweiz.
Seit wann sind die Kammern Selbstverwaltungseinrichtungen? Soweit ich weiß, sind es Fremdverwaltungseinrichtungen, in denen eine Minderheit von Vertretern größerer Unternehmen, die ohnehin in allen berufsständischen Vereinigungen überrepräsentiert sind im Gegensatz zu ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung, eine leider schweigende und resignierende Mehrheit entmündigen, bevormunden, unterdrücken und ausbeuten.
Verzerrt nicht gerade der Kammerzwang den Wettbewerb, indem er den Handel- und Gewerbetreibenden untersagt, ihre Verwaltung und Interessenvertretung selbst zu regeln und sie zwingt, konkurrierende Leistungen der Kammern zu subventionieren?
Über eine rasche Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Höll
Vollversammlungsmitglied und
Präsidentschaftskandidat der
IHK Gießen-Friedberg
Sehr geehrter Herr Höll,
gegen Diskussion und Kritik hinsichtlich des Kammerwesens ist nichts zu sagen.Wenn die Kammern beispielsweise in Konkurrenz zu ihren Mitgliedern treten, dann ist dies tatsächlich ein Zustand, der deutlich kritisiert und verändert werden muss.
Ich erkläre Ihnen hier noch einmal das Grundprinzip, da Ihnen wohl die Begrifflichkeiten durcheinander geraten sind:
"Selbstverwaltung" meint, dass bestimmte Verwaltungsaufgaben vom Staat ( also aus verständiger Sicht der Wirtschaft der "Fremdverwaltung" ) auf die Wirtschaft übertragen werden. Die Gesamtheit der Unternehmerschaft verwaltet sich dann hinsichtlich dieser ihr übertragenen Aufgaben durch von ihr und aus ihrer Mitte gewählte Vertreter selbst.
Wenn Sie schreiben, dass Großunternehmen in ihrer jeweiligen Kammer überrepräsentiert sind, ignorieren Sie, dass in der Vollversammlung jeder Unternehmer eine Stimme hat - egal wie groß sein Unternehmen ist. In freiwilligen Interessenvertretungen dagegen sind die Großunternehmen wirklich einflussreich - denn sie können mit Austritt drohen, falls ihre Interessen nicht genehm repräsentiert werden.
Selbstverwaltung hält die Wirtschaft freier von staatlicher Bürokratie. Letztere ist immer noch zu groß, daher fordert die FDP anders als bespielsweise linke Parteien auch weiter einen konsequenten Abbau der Staatsverwaltung. Die staatliche Verwaltung ist durch die Übernahme bestimmter Staatsausgaben im gewerblichen Bereich durch die Kammern aber merkbar kleiner, als wenn die Aufgaben der Kammern wieder auf den Staat zurückfielen, wie die Kammerkritiker es im Ergebnis fordern.
Oftmals wird die geringe Wahlbeteiligung bei den Wahlen zur Vollversammlung beklagt. Hierzu sage ich: Sorgen Sie - gerade als Präsidentschaftskandidat - mit für eine höhere Beteiligung ! Hinsichtlich Desinteresse oder Boykott der Wahlen zur Kammervollversammlung ließe sich sagen: Wer nicht mitmacht, kann sich schlecht beschweren. Die Kammerkritiker zumindest kommen bislang leider nicht auf die Idee, Ihre scheinbar große Energie darauf zu verwenden, möglichst viele Unternehmer zu den Wählen ihres Selbstverwaltungsparlamentes zu motivieren.
Aus der teilweise unsachlichen Wortwahl Ihrer hier gestellten Frage scheint aus vielen Zeilen eine geradezu blinde Wut auf die Kammern zu sprechen ("Hungerlohn, Ausbeutung, Unterdrückung"). Dies passt zu der Polemik, die Sie Internet von sich geben. Aus meiner Sicht jedenfalls sollten Sie stets bei konstruktiver Kritik bleiben, dann werden Sie ernst genommen.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Friedhoff