Frage an Pascal Kober von Heike R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Kober,
wie hoch, in etwa, ist die Anzahl der Gering- und/oder Schlechtqualifizierten unter den derzeitigen Beschäftigungslosen?
Wieviel offene, sozialversicherungspflichtige (!), Stellen für Gering- und/oder Schlechtqualifizierte sind derzeit erfasst?
Ende April 2011 laufen die Übergangsfristen für die Begrenzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitnehmer aus den osteuropäischen EU Ländern aus.Dann sind Dumpinglöhne angesagt, vor allen in der Verleihbranche.
Welche Chancen räumen Sie unseren Gering- und/oder Schlechtqualifizierten dann ein, wo sie schon jetzt chancenlos sind?
Was sind die greifenden und messbaren Konzepte der FDP?
Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Chancen Geringqualifizierter.
Statistiken, die die Zahl der Geringqualifizierten ausweisen sind, sehr schwer zu erstellen. Das Problem dabei ist, dass es eine wertende Entscheidung ist, welche Qualifikation als gering angesehen wird. Daher hat die Bundesagentur für Arbeit keine Zahlen für diesen Bereich. Ein Indikator für geringere Qualifikation ist aber das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein eines Schulabschlusses. Dazu gibt es auch Zahlen der Bundesagentur. So sind aktuell 440 000 Personen ohne Schulabschluss arbeitslos. 1,23 Millionen Arbeitslose haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Diese beiden Zahlen bieten einen Anhaltspunkt über die Zahl der geringqualifizierten Arbeitslosen.
Zahlen zu offenen Stellen von Geringqualifizierten gibt es aus den oben genannten Gründen auch keine. Zumal nicht jede Stelle mit allen Qualifikationsanforderungen gemeldet wird.
Was in Ihrer Frage jedoch mitschwingt, kann ich Ihnen bestätigen. Aktuell offene Stellen richten sich häufig an Höherqualifizierte. So haben wir in den vergangenen Jahren einen Wandel in der Arbeitswelt feststellen können. Immer mehr "einfache" Tätigkeiten fallen weg, neue Arbeitsplätze entstehen vor allem in komplexeren Arbeitsfeldern.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir Bildung als Schlüssel für die Wahrnehmung von Chancen verstehen. Die christlich-liberale Koalition hat deshalb beschlossen, 12 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung auszugeben. Dies ist ein wichtiger Schritt, durch den wir junge Menschen gut ausbilden können. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängerregierungen Rot-Grün und Schwarz-Rot werden wir nun erstmals auch Ausgaben für Bildung bei den Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder berücksichtigen. Darüber hinaus arbeiten wir daran, dass jedes Kind die Möglichkeit des Besuches eines Sportvereins oder eines Musikunterrichts erhält. Entscheidend ist, dass wir bei der Verhinderung zukünftiger Bildungsarmut große Schritte vorankommen. Darauf haben die Vorgängerregierungen zu wenig Augenmerk gelegt.
Steigende Arbeitskosten gefährden Arbeitsplätze. Denn dann wird die Verlagerung von Produktion ins Ausland und Automation im Vergleich immer rentabler. Das trifft zuerst immer die Arbeitsplätze geringer Qualifizierter. Deshalb haben wir im Bundeshaushalt 2010 dafür gesorgt, dass sowohl die Arbeitslosenversicherung als auch die Krankenversicherungen durch Steuermittel gestützt werden, damit die Arbeitskosten nicht zu sehr steigen. Die aktuellen Arbeitsmarktdaten geben uns Recht.
Dabei vergessen wir aber auch nicht diejenigen, die ihre Schulzeit schon beendet haben. Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind in unserer Zeit wichtiger denn je. Deswegen schaffen wir Anreize zur Qualifizierung und Weiterbildung durch Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik und die Förderung betrieblicher Weiterbildung.
Das Auslaufen der Übergangsfristen bei der Begrenzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehe ich nicht nur als Risiko, sondern auch als Chance. Ich kann Ihnen versichern, dass wir Lohndumping verhindern werden, und gerade in der Vergangenheit hat sich erwiesen, dass Zuwanderung auch ein Antrieb für Wirtschaftswachstum sein kann. Wir sollten die Auswirkungen des 1.Mai 2011 erst einmal abwarten und nicht direkt in Kassandrarufe verfallen. Vergleiche mit dem europäischen Ausland, für die schon länger die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt, zeigen, dass die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit keine negativen Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben muss.
Ganz unabhängig davon müssen wir Wachstumskräfte ankurbeln, da nur so Arbeitsplätze in allen Branchen entstehen.
Und wir müssen akzeptieren, dass nicht jeder ohne staatliche Unterstützung von seiner Arbeit leben kann, weil die Verbraucher nicht bereit sind, entsprechende Preise zu bezahlen. Häufig ist Schwarzarbeit die Folge. Oder Tätigkeiten werden überhaupt nicht mehr nachgefragt. Oder wie viele Menschen kennen Sie, die sich von Hand für einen entsprechenden Preis ihr Auto waschen lassen? Eine Tätigkeit, die geringer Qualifizierte gut anbieten könnten, wenn sie denn nachgefragt würde. Stattdessen setzen die Menschen auf automatisierte Waschstraßen – weil sie billiger sind.
Wir können aber erwarten, dass sich jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten für sich selbst, aber auch für die Gesellschaft einbringt. Deswegen vertritt die FDP mit dem Bürgergeldkonzept einen Ansatz, der Menschen Wertschätzung entgegenbringt. Es ist gerechter, wenn Menschen das leisten, was sie können, und dann mit staatlichen Mitteln aufgestockt werden auf ein Maß, von dem man selbstbestimmt leben kann, als wenn diese Menschen gar keinen Job finden und aus dem Arbeitsprozess ausgeschlossen bleiben und von Hartz-IV leben müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Pascal Kober
www.pascal-kober.de