Portrait von Ottmar Schreiner
Ottmar Schreiner
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ottmar Schreiner zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Laura F. •

Frage an Ottmar Schreiner von Laura F. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Schreiner,

im Politikunterricht haben wir über das Schulsystem in Deutschland und im Saarland diskutiert. Dabei sind verschiedene Meinungen aufgekommen. Doch was sagen Sie zu G8 und dem zentralen Abitur?

Mit freundliche Grüßen,

Laura Friese

Portrait von Ottmar Schreiner
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Friese,

sehr geehrter Herr Selzer,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. Oktober 2007. Im Zusammenhang mit Ihren bildungspolitischen Fragen möchte ich zuerst darauf hinweisen, dass die Bildungspolitik der Länderhoheit obliegt. Allerdings müssen die Länder ihre Bildungspolitik in Anlehnung an die anderen Bundesländer orientieren und sie mit Hinblick auf die veränderten nationalen und internationalen Bedingungen gestalten. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende bildungspolitisch motivierte Mobilität der Abiturientinnen und Abiturienten, was ihr Hochschulstudium anbelangt. Insofern ist es erforderlich, unterschiedliche Schulsysteme der Bundesländer sowohl formal als auch inhaltlich annähernd so zu gestalten, damit sie äquivalent sind.

Aus diesen Gründen habe ich keine Einwände gegen ein zentrales Abitur, das als Maßstab für eine inhaltliche Bildungskonvergenz vor allem in Kernfächern fungieren soll. Erst dadurch kann man eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse, aber auch der Lehrstoffe vornehmen. Für die Abiturientinnen und Abiturienten aus den Ländern, deren Abitur bislang als weniger „wertvoll“ angesehen wurde, bedeutet das zentrale Abitur ein Nachweis der Gleichwertigkeit ihrer Abschlüsse; für die Länder, die mit Hinweis auf ihren „hochwertigen“ Abschluss eine restriktive Studienplatzvergabe gegenüber Abiturientinnen und Abiturienten aus den anderen praktizierten, bedeutet der Zwang zur weiteren Öffnung ihrer Hochschulen. Ich heiße daher die Einführung eines zentralen Abiturs für gut und begrüßenswert.

Was das G 8 anbelangt, bin ich über dessen Durchführbarkeit sehr skeptisch. Denn angesichts der zunehmenden Komplexität der Lehrstoffe bedarf eine Verkürzung der Schulzeit um ein Jahr einer gründlich durchdachten und kompetenten Komprimierung der bisherigen Lehrstoffe. Es geht also nicht darum, die gesamte Stundenzahl aufrecht zu erhalten, sondern um eine Neugestaltung der Lehrpläne und Lehrstoffe.

Ich kann mir das G 8 nur dann vorstellen, wenn hierfür mehr Personal, intensivere Betreuung in kleinen Klassen, eine didaktisch gut aufbereite Komprimierung der Lernstoffe etc. bereitgestellt werden. Aber die Ankündigung von Bildungsminister Jürgen Schreier zur Kürzung der Oberstufenlehrpläne lässt vermuten, dass er mit dem G 8 eben die oben genannten Maßnahmen nicht im Sinne hat. Auch wenn er mit seiner Anweisung, 40 Wochenstunden in den Lehrplänen zu streichen, damit dieser Stoff auch nicht im Abitur geprüft werden kann, anscheinend den Schülerinnen und Schülern „einen Gefallen tut“, hat diese aber nichts mit einer sinnvollen Bildungsreform zu tun. Mit noch weniger Wissen als im alten System werden die saarländischen Abiturientinnen und Abiturienten im Vergleich zu den anderen Absolventen aus den anderen Ländern noch schlechtere Chancen haben als heute der Fall ist. Das G 8 darf nicht dazu führen, dass das Abitur an Qualität verliert, die Studienfähigkeit der Schülerinnen und Schüler gefährdet ist und dringend notwendige Kompetenzstandards für die allgemeine Hochschulreife nicht erreicht werden. Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass das G 8 einen Wechsel der Realschülerinnen und Realschüler, die nach wie vor unter unveränderten Bedingungen unterrichtet wurden, zum Gymnasium und dadurch das Erlangen der Hochschulreife erschweren wird, da viele von ihnen gar nicht auf die Umstellung auf das G 8 nicht vorbereitet werden. Dadurch wird die ohnehin schlechte Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem noch mehr erschwert. Die Debatte um das G 8 hat auf Grund seiner intransparenten Umsetzung bei den betroffenen Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und den Lehrerinnen und Lehren viel mehr für Unruhe und Unsicherheit gesorgt, so dass viele versuchen, dieses Experiment zu umgehen. Es kommt nicht von ungefähr, dass ausgerechnet jetzt die Zahl der Schülerinnen und Schüler der Gesamtschulen erstmal rasant ansteigen. Der saarländische Bildungsminister, Jürgen Schreier, darf diese Signale nicht ignorieren. Alles deutet darauf hin, dass das G 8 schon vorschnell eingeführt worden ist mit der Folge, dass die zum neuen Schuljahr angekündigte Reform der Gymnasialen Oberstufe Saar (GOS) zu mehr Belastungen der Schülerinnen und Schüler aber auch der Lehrkräfte und zu einem drohenden Organisationschaos führen wird. Ich fordere daher eine Verschiebung der Gymnasialen Oberschule um mindestens ein Jahr.

Was aber die Koedukation im Sportunterricht anbelangt, ziehe ich die diese Unterrichtsart im Vergleich zu einem monoedukativen Unterricht. Denn trotz aller kritischen und ablehnenden Argumente überwiegen meines Erachtens die Gründe für den gemeinsamen Sportunterricht. Es ist zwar richtig, dass im Sportunterricht die geltende Geschlechterordnung in Spiel, Sport und Bewegung besonders effektiv durchgesetzt wird, weil sie spürbar und sichtbar in den Erfahrungsfeldern Leiblichkeit und körperlicher Bewegung weitervermittelt wird. Allerdings kann ein pädagogisch gut durchgeführter Sportunterricht für die konstruktive Auseinandersetzung mit den Geschlechterverhältnissen sorgen. Aus sportpädagogischer Perspektive ist das gemeinsame Unterrichten von Mädchen und Jungen im Sport wünschenswert, wenn die Bedingung der Verständigung über gemeinsames Handeln und Lernen in Spiel, Sport und Bewegung erfüllt ist. Doch wenn die Situation eintritt, das jemand wegen seines Geschlechts benachteiligt ist oder auch nur Gefahr läuft, es zu sein, dann muss das beachtet und thematisiert werden. Wo die Bedingungen nicht stimmen, wo Verständigung über gemeinsame Ziele nicht hergestellt werden kann, wo die schulischen und / oder außerschulischen Gegebenheiten permanent für Konfliktstoff sorgen, sollte ganz oder zeitweise nach Geschlechtern getrennt unterrichtet werden. Meine Antwort auf die Frage "koedukativer Sportunterricht ja oder nein" lautet also grundsätzlich; Ja - jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen, die es langfristig erlauben, Mädchen und Jungen gemeinsam zu unterrichten.

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Schreiner