Was ist Ihre Sichtweise zum neuen Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung?
Guten Tag Frau Klein!
Der Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung schwächt aus meiner Sicht die Wahlkreise, die direkte Demokratie und fördert Parteilisten und Personen mit Partei-Proporz.
Wenn es Wahlkreise gibt, die keine/n Abgeordnete/n entsenden, ist das zudem eine erhebliche Demotivation sich politisch zu engagieren.
Warum setzt sich Ihre Partei nicht für einen eigenen Vorschlag ein? Z.B. das Überhangmandate nicht ausgeglichen werden, Wahlkreise größer werden oder Parteilisten von Bürgern mitbestimmt werden können?
Sehr geehrter Herr T.,
vielen Dank für Ihre Frage. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind wir der Überzeugung, dass die Wahlrechtsreform der Ampel keine taugliche Grundlage für einen vernünftigen Wahlrechtskompromiss darstellt. Ein Wahlgesetz, dass die Bürgerstimme entwertet und einen im Wahlkreis direkt gewählten Kandidaten den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, ist für uns nicht akzeptabel. Die Bürgerstimme muss erhalten bleiben und die Größe des Bundestages zugleich spürbar reduziert werden.
Nach Gesprächen mit den Ampel-Fraktionen haben wir als Union der Regierung Ende Januar einen Vier-Punkte-Vorschlag unterbreitet, der ein echtes „Zwei-Stimmen-Wahlrecht“ beibehält und gleichzeitig die Größe des Bundestages reduziert. Der Plan sieht folgende Punkte vor:
Erstens, eine Reduzierung der Wahlkreise von derzeit 299 auf beispielsweise 270. Dadurch würde die Zahl der Überhangs- und Ausgleichsmandate deutlich sinken. Zweitens wäre denkbar, bis zu 15 Überhangmandate unausgeglichen zu lassen. Diesen Spielraum hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumt. Auch eine Erhöhung der Grundmandatsklausel von 3 auf 5 Direktmandate kann dazu führen, den Überhangeffekt zu reduzieren und die Anzahl der Abgeordneten deutlich zu begrenzen. Der vierte Vorschlag sieht vor, den ersten Zuteilungsschritt der Sitzverteilung im Bundestag zu optimieren.
Wir bedauern, dass die Ampelparteien sich gegen eine Zusammenarbeit mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entschieden, sich gegen unsere Vorschläge ausgesprochen und gegen die Stimmen der Oppositionsparteien das Wahlrecht abgeändert haben. Bundespräsident Steinmeier hat das Gesetz vor einigen Wochen unterschrieben. Das Bundesverfassungsgericht wird die Wahlrechtsreform – auch auf unsere Bitte hin – auf ihre Verfassungsgemäßheit überprüfen, weil wir der Überzeugung sind, dass hier wesentliche Grundsätze des Wahlrechts verletzt werden.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre Ottilie Klein