Warum gibt es für Arbeitnehmer keine Pflichtmitgliedschaft in der diesen Bereich vertretenden Gewerkschaft, sind doch die Ungleichgewicht alle Beteiligten und dem Gesetzgeber ausreichend bekannt?
Sehr geehrte Frau Klein, Sie haben sich heute im Bundestag zur betrieblichen Tarifautonomie geäussert. Ihre genannten Argumente im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer können jedoch nur unter der Voraussetzung vollends greifen, wenn beide Gruppen organisierten Interessenvertretern anghören, Im Arbeitgeberverband ist die Vertretungsanteil mit ca. 70% deutlich höher, somit besteht eine nicht ausgeglichene Schieflage zu den Gewerkschaften. Das Gewicht der viel beschworenen Tarifautonomie ist somit faktisch ungleich und in ganzen Bereichen nur eingeschränkt vorhanden.
Sehr geehrter Herr G.,
Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz garantiert allen Beschäftigten das Recht, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen. Dieses Recht wird Koalitionsfreiheit genannt und schützt neben der individuellen auch die kollektive Vereinigungsfreiheit: Demnach sind alle koalitionsspezifischen Betätigungen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden grundrechtlich geschützt – so beispielsweise auch die Werbung neuer Mitglieder.
Zu unterscheiden ist dabei allerdings die positive Koalitionsfreiheit, die das Recht der einzelnen Arbeitnehmer auf Beitritt zu und Betätigung in einer Gewerkschaft schützt und die negative Koalitionsfreiheit, die das Recht beinhaltet, einer Gewerkschaft fernzubleiben oder diese wieder zu verlassen. Demnach garantiert unsere freiheitliche demokratische Grundordnung mit Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz auch, dass niemand gezwungen werden darf, einer Gewerkschaft beitreten zu müssen.
Als Union sind wir überzeugt: Wo Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer gut funktioniert, werden passgenaue Lösungen gefunden und staatlicher Eingriff weniger notwendig. Daher setzen wir uns für eine erneute Stärkung der Tarifbindung ein und werben darum, sich sozialpartnerschaftlich zu organisieren.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Ottilie Klein