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Oskar Lafontaine
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Frage von Holger M. •

Frage an Oskar Lafontaine von Holger M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Lafontaine!

Ich hätte noch vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, dass ich Sie mal wählen könnte. Ich hoffe, dass Sie den Kurs der linken Volkspartei beibehalten. Ich kann so einen Mist - wie z.B. in der ZEIT steht - nicht mehr lesen, wonach eine Steuersenkung (gut für Spitzenverdiener) als "schnelles Konjunkturprogramm" zur Rettung des Wachstums gefordert wird, dagegen Lohnerhöhungen (gut für Normalverdiener) als Inflationstreiber und überhaupt als Unverschämtheit gebrandmarkt werden. Diese elitäre Klasse und deren Journalisten sind unverbesserlich und fordern allen Ernstes nach der Senkung des Spitzensteuersatzes um 11 % und den massiven Entlastungen durch die Unternehmenssteuerreform, alles zu Lasten der Normalverdiener, weitere finanzielle Entlastungen für sich. Sie, Herr Lafontaine, geben der Gegenmeinung eine Stimme und deshalb nun zu meinen Fragen:

Wird die LINKE einen Untersuchungsausschuss zur Bankenkrise beantragen, um Licht ins Dunkel zu bringen und persönliche Verantwortlichkeiten festzustellen (meiner Meinung bedarf es bei so unermesslichen Verlusten an Steuergeldern durch menschliches Versagen einer genauen Untersuchung, wenn wir uns weiterhin Rechtsstaat nennen wollen)?
Wird die LINKE fordern, auch die anderen Steueroasen wie Dubai, Singapur, Südamerika, irgenwelche Pazifikinseln, auszutrocknen, indem der BND auch dort aktiv wird, ggf. durch eine Gesetzesänderung (davor haben doch die neoliberalen Beschwichtiger in Wahrheit am meisten Angst)?
Hat die LINKE Konzepte, dass auch die Millionäre nicht so einfach Steuerhinterziehung begehen können? Denn was nutzen Einkommenssteuererhöhungen, wie sie die LINKE fordert, und Abgeltungssteuer (siehe legales Steuersparmodell in Luxemburg ab 1,25 Mio EUR), wenn diese Steuern nur noch von den Normalverdienern gezahlt werden?

Mit freundlichen Grüßen

Holger Mehl

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Mehl,

auch ich kann vieles, was in den dominierenden Medien steht, nur schwer ertragen. Es zeigt aber sehr deutlich, wie es "interessierten Kreisen", d.h. den Vertreter der reinen Marktlehre und ihren Vasallen in den Medien, immer wieder (und leider oft erfolgreich) gelingt, Ihre individuellen Interessen als die vermeintlichen Interessen der Allgemeinheit zu verkaufen.

Ich habe ihre Fragen an unseren finanzpolitischen Sprecher Axel Troost (MdB) weitergeleitet, dessen Antwort ich hiermit weiterleite:

Die Frage eines Untersuchungsausschusses zur Bankenkrise haben wir noch nicht geklärt. Wir hatten bereits einen Untersuchungsausschuss zur IKB gefordert, der aber wegen ihrer Nähe zur Finanzwirtschaft von der FDP abgelehnt wurde. Ich sehe genau wie Sie, dass die Menschen in diesem Land ein Recht haben zu erfahren, wem ihre Steuermilliarden bei der Rettung von Banken letztendlich zugute kommen und wer im Einzelnen welche Verantwortung für die Krise trägt.

Ich bin aber skeptisch, ob ein Untersuchungsausschuss das leisten kann. Wir haben bereits jetzt die Situation, dass die Bundesregierung über diese heiklen Fragen nur an ein Sondergremium des Parlaments berichtet, dass der Geheimhaltung unterworfen ist. Es ist grotesk: unser Vertreter wird dort kaum über Details und nur im Nachhinein informiert, und wir sollen nicht einmal darüber öffentlich reden dürfen, sonst droht uns der Rausschmiss. Ein Untersuchungsausschuss würde möglicherweise genauso ablaufen.

Die Steueroasen müssen natürlich in ihrer Eigenschaft als steuer- und kontrollfreie Räume ausgetrocknet werden. Die USA haben das mit der Schweiz auch durchgezogen, indem sie damit gedroht haben, den Schweizer Banken die Aktivität in den USA zu verbieten, wenn die Schweiz nicht bei Steuerfragen kooperiert. Wenn der Wille da ist, gibt es auch einen Weg. Wir schlagen z.B. vor, dass man Banken, die Geschäfte mit Steueroasen unterhalten, kein Konto bei der Europäischen Zentralbank gibt. Eine solche Bank könnte dann in der Eurozone keine Geschäfte mehr machen. Wie gesagt, man muss es nur politisch wollen. Das ist aber genau das Problem: die Haupt-Steuer- und Regulierungsoasen sind eben keine unbeugsamen Zwergstaaten in der Karibik, sondern gehören zu den USA und Großbritannien: die Bahamas, die Jungferninseln, Delaware, die Kanalinseln und nicht zuletzt die Wall Street und die City of London selbst. Es bleibt abzuwarten, ob die neue US-Regierung unter Obama bereit ist, in dieser Frage etwas zu ändern.

Aber auch hierzulande müsste viel getan werden. Der erste Schritt wäre, die viel zu bescheidenen Steuergesetze gegenüber den Reichen überhaupt erst mal durchzusetzen. In Deutschland liegt die Hoheit über den Steuervollzug bei den Ländern. Und die Länder liefern sich einen Wettlauf, wer den Konzernen und Millionären am wenigsten bei der Steuerprüfung auf die Finger schaut. Wir haben in der Föderalismuskommission sehr deutlich gemacht, dass wir eine Bündelung der Kompetenzen beim Bund wünschen, um diesem irrsinnigen "Standordwettbewerb" ein Ende zu setzen, nähere Details entnehmen Sie unserem Antrag "Bundesverantwortung für den Steuervollzug endlich wahrnehmen"
( http://dokumente.linksfraktion.net/drucksachen/7775311929_1609479.pdf )

Mit freundlichen Grüßen,
Axel Troost