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Oskar Lafontaine
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Frage von Dr. Mischa D. •

Frage an Oskar Lafontaine von Dr. Mischa D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Lafontaine,

Ihre Partei streitet im Wahlkampf für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 1250 bis 1400 EUR (so ganz einig über die Höhe ist man sich nicht).

Sie treten bereits seit Monaten in Talkshows mit dem Argument auf, ein derartiger Mindestlohn sei nicht schädlich für die Arbeitslosenzahlen, auch in Großbritannien und den USA habe man einen Mindestlohn eingeführt und die Arbeitslosenzahlen seien gesunken.

Warum sagen Sie den Menschen nicht die ganze Wahrheit?

Weder in den USA noch in Großbritannien gibt es einen allgemeingültigen Mindestlohn von 1250 EUR.

In Großbritannien gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von umgerechnet 1083 EUR. Der Mindestlohn ist aber nicht allgemeingültig, sondern gilt nur für 1,9 % der Beschäftigten. Im Ergebnis sind in Großbritannien daher nicht mehr Arbeitsverhältnisse an eine staatliche Mindestlohngrenze gebunden als in Deutschland, wo 2,5 % der Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt sind.

In den USA gilt ein staatlicher Mindestlohn in Höhe von umgerechnet 727 EUR. Allerdings ist eine mit Deutschland vergleichbare Tarifautonomie und Gerwerkschaftsmacht nicht vorhanden, mit dem Ergebnis, dass ein hoher Anteil der Beschäftigten nur den Mindestlohn verdient.

Weder die USA noch Großbritannien sind daher ein taugliches Beispiel dafür, dass die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns von 1250 EUR nicht zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde.

Welches Beispiel einer erfolgreichen Einführung eines derart hohen allgemeingültigen Mindestlohns im Ausland können Sie tatsächlich benennen?

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Dr. Dippelhofer,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte.

Die Erfahrungen aus dem Ausland, vor allem aber die aktuellen Debatten um die EU-Dienstleistungsrichtlinie machen deutlich, dass die Mindestlohnsicherung längst zu einer europaweiten Frage geworden ist. Nur in Deutschland wird die Einführung eines existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohns als Bedrohung für die Wirtschaft denunziert. In den meisten anderen entwickelten Ländern gibt es ihn. Mit einem gesetzlich verankerten Mindestlohn wird nicht das "Paradies auf Erden" geschaffen, aber doch ein Weg aus sozialer Ausgrenzung eröffnet, Lohndumping verhindert und die Zunahme von Armutslöhnen eingedämmt. Kritiker sprechen oft von Beschäftigungsverlust durch die Einführung von Mindestlöhnen. Interessant sind die Entwicklungen in Großbritannien, die dieser Behauptung entgegenstehen. Dort wurde der gesetzliche Mindestlohn zwischen 1999 und 2004 von 3,60 Pfund auf 4,85 Pfund erhöht. Die britische Arbeitslosenquote sank allerdings im gleichen Zeitraum von 6,2% auf 4,85%. Mittlerweile wird der gesetzliche Mindestlohn als wichtiges soziales Regulierungsinstrument akzeptiert. Frankreich kann ebenfalls als Beispiel herangezogen werden, wo gesetzlich verankerter Mindestlohn einen wichtigen Garant der Existenzsicherung darstellt. Der SMIC liegt bei 1217,88 Euro/Monat (Stand: 1. Juli 2005), was einem monatlichen Stundenlohn von 8,03Euro entspricht. Er beziffert den Stundenlohn unter dem laut Gesetz niemand beschäftigt werden kann. Es gelten nur bestimmte Ausnahmen, etwa für Jugendliche und Auszubildende.

Die Linke ist der Meinung, dass der gesetzliche Mindestlohn, der sich in anderen europäischen Ländern bewährt hat, endlich auch in Deutschland verankert werden muss und dazu beiträgt, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken.

Mit freundlichen Grüßen

Oskar Lafontaine