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Oskar Lafontaine
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Frage von Müslüm Ö. •

Frage an Oskar Lafontaine von Müslüm Ö. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Lafontaine,

mich würde als deutscher Staatsbürger kurdischen Ursprungs interessieren wie sie und ihre Partei zu dem türkischen Säbelrasseln an der Grenze zum Nordirak/Südkurdistan stehen. Halten sie einen türkischen Einmarsch für eine legitimes Selbstverteidigungsrecht oder für völkerrechtswiedrig?
Wie stehen sie zu der Frage des Kurdenproblems innerhalb der Türkei? Inwieweit würden sie bevorzugen die PKK und Herrn Öcalan in ein Lösungskonzept miteinzubeziehen? Immerhin scheint die PKK ihrerseits offen für den Dialog und auch bereit die Waffen zum Schweigen zu bringen.

Weshalb engagiert sich Deutschland und die EU nicht für eine Art Roadmap zur Lösung des Problems? Immerhin leben vor allem in Deutschland eine große Anzahl von Migranten sowohl türkischer als auch kurdischer Herkunft. Und spätestens mit der Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei für einen EU-Beitritt sollte doch das Kurdenproblem ganz oben auf der Europäischen Tagesordnung stehen.

Desweiteren denke ich, dass Deutschland auch moralisch gesehen eine Verantwortung für die Lösung des Kurdenproblems trägt. Da gerade unter der Regierung Kohl, aber auch unter der Rot-Grünen Regierung (an der sie auch beteiligt waren) ihre Waffenlieferungen an die Türkei fortgesetzt hat und diese auch nachweislich in dem Kampf gegen die Kurden eingesetzt wurden.

Letztendlich würde mich noch interessieren wie sie und ihre Partei zur möglichen Errichtung eines südkurdischen Staates und zum Kirkuk-Referendum?

Ich möchte mich bei ihnen bedanken und wünsche ihnen und der Linken weiterhin viel Erfolg.

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Müslüm Örtülü

vielen Dank für Ihr Schreiben. Militärisches Eingreifen wie im Falle der türkischen Regierung ist abzulehnen. Es löst weder die Probleme aus türkischer Sicht, noch nimmt es Rücksicht auf die Interessen der betroffenen kurdischen Bevölkerung beiderseits der Grenze. Konflikte wie der türkisch-kurdische können nur auf dem Verhandlungswege gelöst werden oder gar nicht. DIE LINKE unterstützt die Friedensvorschläge der der im türkischen Parlament vertreten kurdischen Partei für eine Demokratische Lösung DTP, die eine Autonomie für die kurdischen Landesteile innerhalb der Türkei vorsehen. Gerade angesichts vieler in Deutschland lebender kurdischer Flüchtlinge unterstützt DIE LINKE auch die Forderung der DTP nach einer Generalamnestie in der Türkei, die politischen Gefangenen, den nach Europa Geflohenen und den in die Berge gegangenen jungen Leuten eine demokratische Partizipation an der türkischen Politik ermöglichen würde.

Die deutsche Verantwortung am militärischen Konflikt ist mit Sicherheit nicht von der Hand zu weisen. Das Giftgas, dass vor 20 Jahren von der irakischen Armee gegen die kurdische Stadt Halabja eingesetzt wurde, stammte ebenso aus Deutschland, wie unzählige Waffen aus früheren NVA-Beständen, die dem NATO-Partner Türkei nach der politischen Wende 1990 geschenkt wurden. Spätesten mit den EU-Beitrittsverhandlungen hätte, wie Sie richtig beschreiben, die EU ein viel stärkeres Gewicht auf die Fragen rund um den so genannten Kurdenkonflikt legen müssen.

Selbstverständlich haben die Kurdinnen und Kurden das Recht auf Selbstbestimmung. Ob aber ein nur unter dem Schutz der USA existierender Kleinstaat im Nordirak, dessen Oberschicht sich auf Kosten der breiten Masse der Bevölkerung schamlos bereichert und die Reichtümer des Landes an das Ausland verkauft, tatsächlich die Lebensbedingungen der breiten Masse verbessern kann, bezweifle ich.

Die von den USA betriebene Verzögerung des Referendums um Kirkuk und die außerhalb des kurdischen Autonomiegebietes liegenden kurdischen Siedlungsgebiete trägt nicht zur Stabilisierung im Irak bei. So wird es weiterhin Vertreibungen von allen Seiten geben, um für eine zukünftige Abstimmung günstige Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Eine Ethnisierung des Konfliktes, in dem arabische, kurdische und turkmenische Bewohner Kirkuks gegeneinander aufgehetzt werden, nützt letztlich nur der Besatzungsmacht USA. DIE LINKE ist der Auffassung, dass Reichtümer wie das Öl von Kirkuk nicht einer Bevölkerungsgruppe und schon gar nicht den USA gehört, sondern allen dort lebenden Menschen gleich welcher ethnischen Herkunft.

Freundliche Grüße,

Thomas Lutze
Mitarbeiter Bürgerbüro Oskar Lafontaine