Frage an Oskar Lafontaine von Fabian-Alexander O. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Lafontaine,
verschiedentlich haben Sie geäußert, dass im Falle einer Mitregierung Ihrer Partei mit als erstes auf dem Plan stünde, Hartz IV zu revidieren. Haben Sie eigentlich schon einmal daran gedacht, was passieren würde, würde dies zeitnah tatsächlich in die Tat umgesetzt?
Ein Gros der aktuellen Langzeitarbeitslosen (den Anteil von ca. 40% Langzeitarbeitslosen an der Gesamtarbeitslosenzahl haben Sie in einer vorangegangenen Antwort selbst erwähnt) würde wieder in das System der Sozialhilfe fallen. Nun beinhaltete diese zwar monetär gesehen im Durchschnitt durch die ergänzenden Leistungen einen Vorteil gegenüber dem aktuellen SGB II und menschlich gesehen eine geringere Drangsalierung der Anspruchsberechtigten, jedoch auch Nachteile wie beispielsweise einen 15% niedrigeren Regelsatz, enteignungsgleiche Eingriffe wie das Verbot, Eigner eines Kraftfahrzeugs oder einer halbwegs armutssichernden Altersvorsorge zu sein.
Ein aber noch viel gravierender Punkt ist der Unterhaltsrückgriff, sprich die Familienhaftung linear Verwandter, die wieder zum Tragen käme.
Was Arbeitslosengeld / -hilfe angeht: viele potenzielle Arbeitslose, die beispielsweise von der nächsten Rezession betroffen würden, hätten aufgrund des gesunkenen Lohnniveaus (Leiharbeiter, Scheinselbstständigkeiten, Minijobs, oder auch Menschen, die nach Tarif 3,21 EUR/Std. brutto verdienen) einen äußerst geringen oder gar keinen Anspruch auf ALG I oder die dann wiederbelebte Arbeitslosenhilfe. Aus Scham und Angst vor dem Familienregress würden sicherlich wie zuvor sehr sehr wenige Menschen (ergänzende) Sozialhilfe beantragen. Dies gilt auch für die Menschen, die arbeiten und sehr wenig verdienen.
Meinen Sie wirklich, dass Sie durch das Rückgängigmachen von Hartz IV die Lebensqualität der sozial und merkantil benachteiligten Menschen verbessern würden? Oder haben Sie an die Einführung einer anderweitigen Grundsicherung gedacht? Wenn ja, wie sähe diese in den Eckpunkten aus?
Viele Grüße!
Fabian-A. Ott
Sehr geehrter Herr Ott,
aufgrund der vielen Anfragen an Herrn Oskar Lafontaine, erhalten Sie von unserem Abgeordnetenbüro eine Antwort.
Die LINKE hält die Hartz-Gesetze für einen Skandal. Hartz IV ist Armut per Gesetz und muss grundsätzlich überwunden werden. Unsere Alternativvorschläge sind sinnvoll und bezahlbar:
Ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens acht Euro in der Stunde (1400 Euro brutto im Monat für ein Vollzeitarbeitsverhältnis) wird eingeführt. Damit wird ein Weg aus Armut trotz Arbeit eröffnet und eine Sicherung gegen sozialen Abstieg und Altersarmut errichtet. Für zirka eine halbe Million Menschen, die derzeit Vollzeit erwerbstätig sind, würde damit der Weg aus Hartz IV geebnet.
Ein-Euro-Jobs werden abgeschafft. Diese Form der Zwangsarbeit wird ersetzt durch den Aufbau eines öffentlich finanzierten Beschäftigungssektors, der - auf freiwilliger Grundlage - sozialversicherungspflichtige und tariflich entlohnte Arbeitsplätze in den Bereichen zur Verfügung stellt, in denen der gesellschaftliche Bedarf an Leistungen nicht gedeckt ist (z.B. Bildung, Kultur, Gesundheits- und Gemeinwesen). Eine weitgehend kostenneutrale Finanzierung über die Umwidmung vorhandener Mittel ist möglich.
Für die berufliche und soziale Eingliederung von Langzeiterwerbslosen sind mehr Gelder zur Verfügung zu stellen. Die Sperrung von einer Milliarde Euro im Haushaltsjahr 2007 für Eingliederungsmaßnahmen ist aufzuheben, damit die Gelder ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden können. Neue arbeitsmarktpolitische Programme sind durch zusätzliche Mittel zu finanzieren.
Die soziale Absicherung durch die Arbeitslosenversicherung wird verbessert durch die Verlängerung der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I. Der durch die Hartz- Gesetze vorprogrammierten Altersarmut muss entgegengewirkt werden, insbesondere sind Maßnahmen der Zwangsverrentung – verordneter vorzeitiger Eintritt in die Rente mit massiven Abschlägen bei der Leistungshöhe – zu verhindern.
Als erster Schritt auf dem Weg zu einer repressionsfreien und Bedarfs-orientierten sozialen Grundsicherung, die Armut verhindert und gesellschaftliche Teilhabe sichert, wird das ALG II sofort auf 420 Euro angehoben, die Freibeträge für Ersparnisse zur Alterssicherung werden erhöht und die Anrechnungsregelungen für Partnereinkommen deutlich verbessert.
Die bestehende Verpflichtung jede Arbeit unabhängig von ihrer Qualität anzunehmen wird abgeschafft.
Die vorhandene Arbeit - sowohl die Erwerbs- als auch die Reproduktionsarbeit - wird umverteilt. Als ersten Schritt fordern wir eine generelle Arbeitszeitverkürzung und den Abbau der überhand nehmenden Überstunden.
Eingebettet werden müssen diese Maßnahmen in eine grundsätzlich andere Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik, die sich an der Stärkung der privaten und öffentlichen Nachfrage orientiert, und eine Steuerpolitik, die die finanzielle Basis für ein Investitionen in Bildung, soziale Infrastruktur und öffentliche Verkehrswege schafft.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Katja Cönen