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Frage von Stephan L. •

Frage an Oskar Lafontaine von Stephan L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Lafontaine,

Ich habe eine Frage zum Thema Weiterbildung bzw Umschulung von Arbeitslose. Ich bin von Beruf ausgebildeter Einzelhandelskaufmann. Da im Einzelhandel ausschließlich nur noch Teilzeit und 400,00 € Jobs zu vergeben sind, habe ich bei dem Jobcenter Essen (Arge) nachgefragt, wie die Chancen auf eine Umschulung z.B zum Industriekaufmann sind. Die Fallmanagerin sagte mir dass vor Umschulungsbeginn ( dauer bei Industriekaufmann ca. 2 Jahre) eine schriftliche Einstellungszusage seitens des Arbeitsgeber vorliegen müsse.
Das Problem: Kein Arbeitgeber gibt im voraus von zwei Jahren eine Einstellungszusage. Dafür gab es ein Alternativangebot. In Holland würden angeblich (zum Teil auch ungelernte Kräfte) als Bauhelfer in den Niederlanden dringend gesucht. Der monatliche Nettoverdienst soll bei 1600,00€ netto liegen. Das Arbeitsverhältnis würde über eine niederländische Zeitarbeitsfirma Bouwflex laufen. Meine Frage: Sind die Kriterien zur einer Umschulungsmaßnahme überall per Gesetz derart geregelt oder liegt die Entscheidung allein bei einem Fallmanager und was kann die Linksfraktion unternehmen, dass auch Langzeitarbeitslose eine Möglichkeit zur beruflichen Weiterbildung erhalten ?

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Luckaßen,

Ob eine Umschulung angeboten und finanziert wird, liegt bei Hartz-IV-Empfängern im Ermessen der ARGE. Laut Sozialgesetzbuch II (in dem die so genannten Hartz-Gesetze stehen) müssen die "Fallmanager" (auch ein Unwort, das etwas beschönigen soll) alles tun, um die Arbeitslosen schnellstmöglich in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Wie dieses rechtlich ausgestattet ist, ist nicht definiert. Viele Hartz-IV-Bezieher sind der Willkür der ARGEN ausgesetzt. Oftmals fehlt es den Mitarbeitern in den Jobcentern selbst an der nötigen Qualifikation, um eine optimale und individuelle Beratung anzubieten. Das ganze Hartz-System ist moralisch verwerflich und arbeitsmarktpolitisch untauglich. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen nimmt schon seit geraumer Zeit zu, allein 2006 stieg sie um 100.000. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitslosen beträgt damit rund 40 Prozent, womit Deutschland einen unrühmlichen Spitzenplatz in Europa einnimmt.

Die von den Wirtschaftsweisen im November 2006 empfohlene Flexibilisierung des Kündigungsschutzes – sprich: dessen Abbau – ist allerdings ein einseitiger Rat. Neue Arbeitsplätze werden auf diesem Wege nicht geschaffen. Angesichts der Erkenntnis, dass mit der Zahl der Langzeitarbeitslosen auch die Armutsquote steigt, braucht es andere Alternativen. Es handelt sich um ein zentrales gesellschaftliches Problem und die Gesellschaft sollte entsprechend viel Geld aufwenden, um es zu lösen.

Eine vernünftige Maßnahme wäre die Ausweitung öffentlich geförderter Beschäftigung, wie sie von der Linksfraktion, von Gewerkschaften und Sozialverbänden gefordert und von der Bundesregierung seit Monaten blockiert wird. Damit würde zugleich auch den Folgen des demografischen Wandels begegnet. Der Mitteleinsatz würde keinesfalls den finanziellen Rahmen sprengen. Der Großteil der erforderlichen Gelder wird bereits jetzt ausgegeben, allerdings zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit. Weitere finanzielle Möglichkeiten schafft der derzeitige konjunkturelle Aufwind.

Die LINKE hat die Bundesregierung aufgefordert, diese bereits in Mecklenburg-Vorpommern erprobte Alternative endlich bundesweit in Angriff zu nehmen. Dabei geht es nicht um den Einstieg in weitere Niedriglohnbereiche, dem offenbar durch das Projekt „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt der Weg geebnet werden soll, sondern um Arbeitsplätze auf der Basis eines Mindestlohns von acht Euro pro Stunde, wie ihn die LINKE vorschlägt. Nur mit Löhnen auf diesem Niveau kann auch der Würde der Bürgerinnen und Bürger entsprochen werden.