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Frage von Bernd D. •

Frage an Ortwin Runde von Bernd D. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Runde,
die Finanzkrise beschäftigt alle in diesem Land schon einige Zeit. Ich wundere mich aber darüber, dass bis zum heutigen Tage noch nicht einer der Finanzakrobaten, die diese Krise heraufbeschworen haben, angeklagt wurde.
Schließlich haben diese "ehrenwerten Herrschaften" mit Geldern gezockt, die anderen Leuten gehörten (Sparer, Investmentanleger, usw.). Es gibt doch den § 266 StGB "Untreue". Oder gilt der für die honorigen Finanzmanager nicht?
Sprechen Politiker untereinander viellleicht auch darüber, welches fehlende Unrechtsbewußtsein hier Platz gegriffen hat?

Wie ist Ihnen eigentlich zumute, wenn Sie erfahren, dass in dieser Zeit eine Kassiererin, die 1,30 € veruntreut hat, fristlos entlassen wird?
Ich denke, dass hier eine ungehemmte Raffsucht in Verbindung mit krimineller Energie die Axt an die Wurzel des Rechtsstaates gelegt hat. Warum reagiert die Politik nicht entsprechend?

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Dohm

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dohm,

danke für Ihre Nachricht vom 25. Februar. In der Tat: Politisch nachvollziehbar sind einige Sachverhalte nicht: Einerseits wird einer Kassiererin in diesen Tagen gekündigt, weil sie 1,30 Euro unterschlagen haben soll (wohlgemerkt: der Verdacht genügte nach Ansicht des entscheidenden Gerichts). Andererseits gibt es große Schlagzeilen in den Zeitungen über die enormen Verluste und volkswirtschaftlichen Gefahren durch die Finanzkrise – und man nimmt nichts wahr von entlassenen Managern oder gar von strafrechtlichen Ermittlungen durch Staatsanwaltschaften.

Lassen Sie mich zwei Dinge dazu sagen. Zum Ersten: Der von Ihnen angeführte Untreuetatbestand gehört zu den juristisch schwierigsten und umstrittensten Straftatbeständen. Dies bedeutet nicht, dass er deswegen nicht oder weniger angewendet würde, sondern lediglich dass damit eine besonderer Ermittlungsbedarf bzw. Vorermittlungsbedarf gegeben sein könnte. Schließlich darf man die Großen nicht laufen lassen, wenn man schon die Kleinen „fängt“. Liegen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vor, so wird m. E. schon wegen der gesetzlichen Bindung sicherlich jede Staatsanwaltschaft in Deutschland (Vor-) Ermittlungen aufnehmen. Ich habe keinen Anlass, insofern an der Rechtsstaatlichkeit zu zweifeln. Gleichwohl möchte ich darauf hinweisen, dass die Staatsanwaltschaften im Verantwortungsbereich der Justizverwaltungen der Länder liegen. Mithin wäre der Teil Ihrer Frage, ob und inwieweit mit Blick auf Vorgänge in der Finanzkrise Ermittlungsverfahren laufen, eine Frage an die Landesregierungen. Diese stehen, erst recht wenn sie, wie der niedersächsische Ministerpräsident Wulff die eingangs von Ihnen als schwer begreifbar geschilderten Umstände aufgreifen, in einer besonderen Pflicht, über die Gründe für oder gegen ein Aufgreifen durch die Staatsanwaltschaft Rechenschaft abzulegen. Ich gebe zu, dass ich nur schwer begreifen kann, warum der niedersächsische Ministerpräsident etwas beklagt, was er durch „Verwaltungsanweisung“ oder politische Initiative im Bundesrat mehr oder weniger „erledigen“ könnte.

Zum Zweiten steht damit natürlich die politische Frage im Raum, ob § 266 des Strafgesetzbuches (d.h. der Untreuetatbestand) angesichts bestimmter Entwicklungen in der Finanzkrise novelliert werden müsste. Auf den ersten Blick möchte man dies angesichts des eingangs ad hoc scheinenden Wertungswiderspruches bejahen. Ich bin da gleichwohl vorsichtiger, da der Teufel einerseits im Detail einer Novellierung stecken dürfte. Andererseits ist zuvor selbstverständlich zu klären, und das ist noch wichtiger, ob und inwiefern Vorgänge im Zusammenhang mit der Finanzkrise bereits zu Ermittlungsverfahren und ggf. mit welchem Ausgang geführt haben und wo ggf. Regelungsbedarf besteht. Schließlich will man wissen, wo man – etwa - das Strafrecht zu verbessern hat. Damit aber sind wiederum die Erkenntnisse aus der Justizverwaltung der Länder gefragt, die ich gern anmahnen will.

Mit freundlichen Grüßen

Ortwin Runde