Frage an Ortwin Runde von Dr. Jens J. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Runde,
haben Sie in der Partei und im Ausschuss einmal in Betracht gezogen, die Erbschaftssteuer ganz abzuschaffen und stattdessen die Grunderwerbsteuer auf alle Erwerbsfälle anzuwenden, also auch auf Schenkung und Erbschaft und auch dann, wenn Kinder etwas erhalten.?
Dies würde zu einer breiten Besteuerung führen, die aber bei Steuersätzen zwischen 3,5 und 4,5% sehr moderat ausfiele. Das Steueraufkommen würde vermutlich gegenüber heute sogar steigen, Schlupflöcher wären geschlossen, die Ergebnisse gerechter - und dennoch würde ein Großteil der Erben steuerfrei bleiben, weil gar kein Grundvermögen vererbt oder verschenkt würde. Der Verwaltungsaufwand würde dramatisch sinken.
Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten des bestehenden Systems der beiden Steuerarten würden abgeschafft. Zum Beispiel:
Warum zahlt derjenige keine Grunderwerbsteuer, der vom vermögenden Vater kauft, während derjenige, der einen nicht vermögenden Vater ohne Haus hat, beim Kauf auf dem freien Markt die Steuer zahlen muss?
Warum muss derjenige, der sich sein Haus selbst erarbeitet und das Finanzierungsdarlehen über 20 Jahre abbezahlt, die Grunderwerbsteuer zahlen, während derjenige, der ein Haus erbt oder von den Eltern geschenkt bekommt, gar keine Steuer zahlen soll?
Warum nehmen wir demjenigen, der etwa seinem besten Freund € 90.000 schenken will, zusätzlich € 30.000 an Schenkungssteuer ab (nach den geplanten Neuregelungen)? Diese Steuer zahlt ja nicht der Empfänger, sondern der Schenker? Die trifft nicht etwa nur die vermögenden Erblasser/Schenker, sondern jeden.
Alle diese Probleme ließen sich leicht lösen:
Schenkungssteuer weg, Grunderwerbsteuer für alle (außer Ehegatten und Lebenspartner).
Diese Alternative habe ich bisher in der öffentlichen Diskussion nicht vernommen. Sie trifft aber bei allen auf Zustimmung, die ich im Rahmen meiner notariellen Tätigkeit dazu befragt habe. Wäre das nicht eine Lösung, der alle Parteien zustimmen könnten?
Ihr
Dr. Jens Jeep, Notar in Hamburg
Sehr geehrter Herr Dr. Jeep,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 19. November, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Ihr Vorschlag scheint etwas Raffiniertes zu haben. Gleichwohl: Er dürfte aus meiner Sicht aus verschiedenen Gründen nicht in dem Umfang die Probleme lösen, wie Sie es annehmen.
Zum Einen haben Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer eine unterschiedliche Zielrichtung. Die Erbschaft- und Schenkungssteuer rechtfertigt sich meiner Kenntnis zufolge und nach prominenter Meinung in der Steuerrechtsliteratur durch die auf Grund des Erwerbs eingetretene Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Erwerbers. Grundlage der Besteuerung ist also mehr oder minder der – ohne Leistung – übergangene Substanzzuwachs beim Erben. Erheblich anders die Grunderwerbsteuer: Sie zielt auf Rechtsvorgänge, besser: auf Grundstücksumsätze. Wenn man überhaupt an eine Integration der Grunderwerbsteuer dächte (wofür ich nicht eintrete), dann würde man wahrscheinlich ihre größere Nähe zur Umsatzsteuer in Augenschein nehmen und insofern Erwägungen anstellen. Allein der Umstand, nach denen bestimmte erbschaftsteuerliche Vorgänge dazu führen könnten, dass die Grunderwerbsteuer „nicht erhoben“ wird, sie scheinen derartige Konstellationen im Grunderwerbsteuergesetz anzusprechen, darf daher unter systematischen Gesichtspunkten nicht zu dem Schluss verleiten, hier ließe sich „etwas austauschen“.
Dementsprechend – und dieser weitere Aspekt mag es zusätzlich verdeutlichen - unterliegen der Grunderwerbsteuer und der Erbschaftsteuer unterschiedliche Besteuerungsbezugspunkte, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würden: Während der Wechsel eines millionenhohen Geldvermögens infolge eines Todesfalls zur Erbschaftsbesteuerung führt, würde ein solcher Transfer nicht der Grunderwerbbesteuerung unterliegen. Der Wegfall der Erbschaftsteuer zugunsten einer stärkeren Grunderwerbbesteuerung würde in einem solchen Fall also zu einer Begünstigung von Geldvermögenmillionären führen.
Das aber ist aus meiner Sicht politisch nicht vertretbar. Dies gilt umso mehr, als die Erbschaftsteuer Mitte/ Ende der 1990er Jahre von der CDU/FDP-Bundesregierung verändert worden ist, um mit dem dort angestrebten zusätzlichen Steueraufkommen zumindest teilweise die Ausfälle durch den von CDU/ CSU und FDP gewollten „Wegfall“ der Vermögensteuer zu kompensieren. Diesen Aspekt haben Teile von CDU/CSU und FDP in der aktuell zurückliegenden Debatte um die Erbschaftsteuerreform übrigens leider aus den Augen verloren.
Mit freundlichen Grüßen
Ortwin Runde