Frage an Oliver Krischer von Katha B. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrtey Oliver Krischer,
mit Verweis auf folgende Petition https://www.change.org/p/schluss-mit-diskriminierung-barrierefreiheitsrecht-f%C3%BCr-menschen-mit-behinderung-jetzt-peteraltmaier-hubertus-heil-bmas-bund-bmwi-bund/u/29051684?cs_tk=AugrM0CEKa5dN6V8o2AAAXicyyvNyQEABF8BvK74Y-CK3RCHtEQLA_etq30%3D&utm_campaign=0bfa49301d5348e4af749e9ce5745ac2&utm_content=initial_v0_4_0&utm_medium=email&utm_source=petition_update&utm_term=cs und die folgende Passage "Das Gesetz ist leider so schlecht, dass weiterhin so gut wie keine Barrierefreiheit vorgeschrieben wird. Bauliche Barrierefreiheit wird grundsätzlich nicht vorgeschrieben. Geschäfte dürfen also weiterhin mit Stufen und anderen Barrieren Menschen mit Behinderungen ausschließen. Zwar soll gerade die digitale Barrierefreiheit für Unternehmen vorgeschrieben werden, aber die Ausnahmen sind so groß, dass davon kaum etwas zu spüren sein wird. So dürfen alle Unternehmen (auch Online-Shops) mit weniger als 9 Mitarbeitenden oder weniger als 2 Mio. Euro Jahresumsatz auf Barrierefreiheit verzichten. Auch erhalten behinderte Menschen keinen eigenen Rechtsanspruch auf Barrierefreiheit. Sie können sich also nicht gegen Diskriminierung durch Barrieren von Unternehmen zur Wehr setzen.
Doch viele Abgeordnete wissen gar nicht, dass dieses Gesetz im Alltag nicht helfen wird. Sie glauben, dass das “Barrierefreiheitsstärkungsgesetz” tatsächlich für Barrierefreiheit sorgt. Das stimmt aber nicht!"
möchte ich Sie fragen, was Sie tun werden um wirkliche Barrierefreiheit zu erreichen?
Mit freundlichen Grüßen
Katha Blaeser
Bitte für meine Person gender-neutrale Sprache und Anreden verwenden.
Freue mich bspw. über "Hallo Katha" oder "Guten Tag Katha Blaeser".
Sehr geehrter Herr Titz,
Vielen Dank für Ihre Nachricht und Fragen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz.
Bereits die Verhandlungen zur „Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“ (European Accessibility Act (EAA)) auf EU Ebene haben wir aufmerksam verfolgt und mehrere Berichterstattungen der Bundesregierung im Ausschuss für Arbeit und Soziales beantragt. Meine Fraktion hat die Bundesregierung zudem mehrfach zu der geplanten Umsetzung der Barrierefreiheitsrichtlinie befragt. 2017 mit der Kleinen Anfrage „Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft“ (BT-Drs. 18/13258) und 2019 mit der Kleinen Anfrage „Bilanz nach drei Jahren Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes und Umsetzung der Barrierefreiheitsrichtlinie“ (BT-Drs. 19/11659).
Schon an den Antworten auf die Kleinen Anfragen zeichnete sich ab, dass die Bundesregierung die Richtlinie zwar begrüßt, aber über die Mindestanforderungen kaum hinausgehen wird. Das zeigt sich jetzt auch an dem am 20. Mai 2021 vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Wie auch in einigen Stellungnahmen von Fachverbänden kritisiert wird, hat die Bundesregierung damit entgegen unserer Forderungen lediglich eine „Eins-zu-Eins-Umsetzung“ der Richtlinie erwirkt. Wenn gewollt, hätte die Bundesregierung durchaus über die Mindestanforderungen hinausgehen können. Anstatt jedoch alles aus der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit herauszuholen, hat die Bundesregierung in Brüssel vieles dafür getan, ihren Anwendungsbereich zu beschränken. Besonders irritierend ist dabei, dass bereits bei der Anhörung am 17. Mai 2021 im Ausschuss für Arbeit und Soziales von fast allen Sachverständigen kritisiert wurde, dass der vorgelegte Gesetzentwurf nicht nur mutlos ist, sondern auch die vorgeschlagene Umsetzung untauglich sind. Das betrifft vor allem den Martküberwachungmechanismus. Es gibt keine zentrale Marktüberwachung, sondern einzelne Marktüberwachungsbehörden in allen 16 Bundesländern. Auch die vorgesehenen Ausnahmeregelungen sind nicht ausreichend. Wirtschaftsakteure können selbst eine Einschätzung vornehmen, ob eine „unverhältnismäßige Belastung“ vorliegt.
Unsere Fraktion hat daher bereits im Oktober 2020 den Antrag: „Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglichen – Barrierefreiheit umfassend umsetzen“ (BT-Drs. 19/24633) in den Bundestag eingebracht. Dieser Antrag war ebenfalls Teil der Anhörung am 20. Mai, wurde jedoch mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der FDP abgelehnt.
Aus unserer Sicht sind größere Anstrengungen nötig, um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. Für uns ist Barrierefreiheit auch im Privatsektor ein unverzichtbarer Bestandteil einer inklusiven Gesellschaft. Bisher sind aber vor allem staatliche Stellen zur Barrierefreiheit verpflichtet. So wichtig das ist, aber die Menschen verbringen viel weniger Zeit in Bundesministerien und Behörden als in Geschäften, Gaststätten oder Kinos.
Auch die Websites von privaten Betreiber*innen werden deutlich häufiger besucht als die von staatlichen Einrichtungen. Private Unternehmen sind jedoch nicht verpflichtet, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Gleiches gilt für Wohnungsgesellschaften, solange sie nicht neu bauen.
Wir möchten mit einer Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes private Anbieter verpflichten, innerhalb eines realistischen Zeitraums Barrieren abzubauen. Sowohl die angebotenen Waren und Dienstleistungen als auch die Orte, an denen sie angeboten werden, müssen barrierefrei werden. Ist das zunächst nicht möglich, weil zum Beispiel Gebäude (noch) nicht barrierefrei umgestaltet werden können, sollen die Angebote auf anderen Wegen zugänglich gemacht werde, etwa durch mobile Rampen oder Bring-Dienste. Diese „angemessenen Vorkehrungen“ sind ein wichtiger Schritt zum Abbau von Barrieren.
Weitere Informationen zu unserer Position finden Sie bei Interesse in unserer Broschüre BarriereFREI für alle, die es auch in Leichter Sprache gibt. Zudem haben wir die Bundesregierung mit unserer Kleine Anfrage „Gleichberechtigte Teilhabe und Barrierefreiheit“ umfassend zur Barrierefreiheit befragt. Die Antwort der Bundesregierung vom 15.4.2021 finden Sie bei Interesse hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/285/1928569.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer