Frage an Oliver Krischer von Gertrud M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Krischer,
in dem unter der Adresse https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/widerspruchsloesung-ist-de-facto-bereits-gesetz/ abrufbaren Artikel steht:
Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Eiltempo durchgebrachte Gesetz fordert schon jetzt: Wenn nicht bekannt ist, dass Patientinnen und Patienten mit Hirnschädigung eine Organspende ausdrücklich abgelehnt haben, sollen die Kliniken alles tun, um eine Organspende zu ermöglichen. In der Praxis entspricht dieses Vorgehen einem Verfahren, wie es in Ländern mit Widerspruchslösung praktiziert wird.
Transparency Deutschland sieht bei den am 1. April auf deutschen Intensivstationen angelaufenen Maßnahmen die Gefahr schwerwiegender Interessenkonflikte.
Meine Frage an Sie ist, ob dies so stimmt oder haben Sie eine andere Interpretation zu diesem Gesetz?
Haben Sie für dieses Gesetz gestimmt?
Wie kann ein Patient widersprechen?
Ich finde es einigermaßen skandalös, daß die Mainstreammedien nicht über diesen Sachverhalt berichten.
Mit freundlichen Grüßen
G. M.
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht zu diesem wichtigen Thema.
Wir setzen uns für ein transparentes Organspende-System ein, in dem die Selbstbestimmung geachtet wird und in dem Manipulationen keinen Platz haben. Klar ist, dass wir bei der Organspende Verbesserungen brauchen - zu viele Menschen warten händeringend auf ein Organ. Und wenn wir wissen, dass laut Umfragen 84 Prozent der Menschen der Organspende grundsätzlich positiv gegenüberstehen, dann müssen wir eine Lösung finden, wie wir sie direkt darauf ansprechen und die Zahl der Spender*innen erhöhen können - und gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht wahren.
Wir wollen die Organspende nach dem Tod als eine bewusste und freiwillige Entscheidung beibehalten. Statt Stillschweigen als eine Freigabe der eigenen Organe zu bewerten, wie es der Vorschlag der Widerspruchsregelung vorsieht, ist es aus unserer Sicht zielführender, eine stets widerrufbare Entscheidung klar zu registrieren, eine verbindliche Abfrage durchzuführen und eine stetige Information und ärztliche Beratung zu gewährleisten und die regelmäßige Auseinandersetzung mit der Thematik zu fördern.
Eine Regelung, der man erst aktiv widersprechen muss, halten wir auch für kontraproduktiv mit Blick auf die tatsächliche große Spendenbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Es heißt ja nicht umsonst "Spende". Es geht um eine bewusste, freiwillige und willentliche Entscheidung und nicht um einen impliziten Zwang.
Mit der kürzlich vom Bundestag beschlossenen Stärkung der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern und weiteren Strukturverbesserungen, denen alle Fraktionen im Bundestag (außer der AfD) zugestimmt haben , wurde die Grundlage für die Erhöhung der Organspenderate gelegt. Das Strukturgesetz ändert nichts am Prinzip der freiwilligen Entscheidung. Eine Zustimmung ist die Voraussetzung für eine Organentnahme und das muss unserer Meinung nach auch so bleiben. Auch ein expliziter Widerspruch kann in einem Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung und zukünftig in einem Online-Register dokumentiert werden. Eine formlose schriftliche oder eine mündliche Erklärung bspw. gegenüber Angehörigen ist ebenfalls möglich. Wenn von der Verstorbenen Person keine Erklärung vorliegt oder bekannt ist, kann eine angehörige Person unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens der Organentnahme zustimmen oder sie ablehnen. Im Gesetzentwurf für eine freiwillige Entscheidung ist zudem vorgesehen, dass bei sich widersprechenden Erklärungen der verstorbenen Person nicht die Angehörigen entscheiden sondern die Erklärung mit der geringsten Eingriffstiefe gilt. Im Zweifel werden also keine Organe entnommen.
Den Ausweisstellen könnte nach unserer Ansicht eine zentrale Bedeutung zukommen. Sie werden dazu verpflichtet, die Bürger*innen bei der Beantragung von Papieren mit allen Infos der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu versorgen und für weitergehende Infos an die jeweiligen Hausärzt*innen zu verweisen. Die Ausweisstellen selbst sollen keine Beratung vornehmen. Bei Ausweisbeantragung oder -abholung sollen sie die Person aber zur Eintragung in das Organspenderegister ermutigen. Das soll vor Ort und auch später jederzeit online von zuhause aus möglich sein. Mit dem Online-Verfahren ist auch gesichert, dass man jederzeit eine Änderung der Entscheidung unbürokratisch eintragen kann. Das Register ermöglicht es Krankenhäusern, bei Todesfällen die Daten schnellabzurufen.
Wir wollen außerdem den Bereich Organspende innerhalb der medizinischen Aus- und Weiterbildung stärken, um die Sensibilität des ärztlichen Nachwuchses für dieses Thema zu verbessern und ggf. Vorurteile abzubauen.
Ein solches Verfahren wahrt die höchstpersönliche Entscheidung jedes Menschen und trägt zu einer höheren Spendenbereitschaft bei. Organspenden können Leben retten. Die Widerspruchsregelung ist bei dieser höchstpersönlichen Entscheidung aber der falsche Weg. Ich unterstütze darum den interfraktionellen Gesetzentwurf meiner Kollegin Annalena Baerbock für eine freiwillige Entscheidung zur Organspende, welcher in Kürze eingereicht wird. Der Entwurf ist hier abrufbar: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/O/Organspende/Gesetzentwurf_zur_Sta__rkung_der_Entscheidungsbereitschaft_bei_der_Organspende.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer