Frage an Oliver Krischer von Thomas M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Krischer,
in 18 europäischen Ländern gibt es bei der Organspende das Gesetz der Widerspruchslösung : Jeder ist Spender & wer nicht spenden will, kann widersprechen. In Deutschland gilt die Entscheidung & hier sterben bei der momentanen Gesetzeslage jedes Jahr über 1000 Menschen die auf der Warteliste stehen. Man wartetet in Deutschland z.B. auf eine Niere 7- 10 Jahre & in Spanien oder Österreich dagegen nur 1 Jahr, weil es dort die Widerspruchslösung gibt !
Ich fühle mich als Betroffener in Deutschland benachteiligt - gegenüber den Ländern mit Widerspruchslösung !
Was sagen sie zur Widerspruchslösung ?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht, und dass Sie sich damit an mich gewendet haben.
Ich stimme Ihnen zu, es besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf und es ist gut, dass der Bundestag sich jetzt mit dem Thema Organspende befasst.
Aktuell warten knapp 10.500 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Dem stehen aktuell lediglich 832 Organspenden gegenüber. Vielen weiteren könnte geholfen werden, wenn es gelänge, die Zahl der Spenden zu erhöhen.
84 Prozent der Bevölkerung sind generell bereit, Organe zu spenden, aber nur 39 Prozent haben ihre Entscheidung auf einem Organspendeausweis oder in der Patientenverfügung dokumentiert. Gleichzeitig geht die Zahl der Organspender*innen seit 2012 zurück. Es ist daher an der Zeit, dass unsere Gesellschaft ausführlich über das Für und Wider beim Thema Organspende spricht, denn jedes Organ kann Leben retten. Letztlich ist es aber eine sehr persönliche Entscheidung und jeder muss für sich die Frage beantworten: Bin ich bereit, Organe spenden zu wollen?
Resultierend aus der geringen Zahl der Organspenden hat die Bundesregierung Ende Oktober den Gesetzentwurf „Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende“ (GZSO) vorgelegt.
Der Gesetzentwurf enthält viele begrüßenswerte Änderungen. Dazu gehören etwa die Stärkung der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken und eine höhere Pauschale aller mit Organspenden entstehenden Kosten für die Entnahmekliniken. Der Gesetzentwurf setzt damit an den entscheidenden Punkten an, die wahrscheinlich für die im internationalen Vergleich geringe Zahl der Organspenden in Deutschland verantwortlich sind.
Neben diesen Vorschlägen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn außerdem einen eigenen Vorschlag zur Organspende in die Debatte eingebracht. Er spricht sich für die sogenannte Widerspruchsregelung aus. Danach soll jede Person automatisch für eine Spende infrage kommen, solange er oder sie selbst bzw. die Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen. Diese Umsetzung der Widerspruchsregelung wäre ein starker Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen. Der Gesetzgeber würde damit für den Einzelnen eine sehr persönliche Entscheidung vorwegnehmen, die dann nur mit aktivem Widerspruch aufgehoben werden kann. Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist ein zentrales Element menschlicher Würde. Diese würde in den Augen vieler verletzt, wenn der und die Einzelne die eigene Selbstbestimmung im Zweifel nur durch aktiven Widerspruch durchsetzen kann.
Um diesen Bedenken entgegenzukommen und dennoch eine Erhöhung der Spendenbereitschaft zu erreichen, unterstütze ich den Vorschlag meiner Kollegin Annalena Baerbock für eine regelmäßige obligatorische Befragung des und der Einzelnen durch den Staat, jedoch ohne eine vorherige Festlegung der Entscheidung durch den Staat. Das könnte man derart umsetzen: Jeder Erwachsene muss spätestens alle zehn Jahre seinen Personalausweis oder Reisepass erneuern. Hier könnte auf Grundlage einer Passreform eingeführt werden, dass jede Person zu diesem Zeitpunkt über ihre grundsätzliche Organspendenbereitschaft wiederkehrend Auskunft gibt. Bei der Ausweisbeantragung erhält der Antragsteller bzw. die Antragstellerin ausführliche und unabhängige Informationen etwa von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Organspende, die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs oder einer Telefonberatung für weitere Fragen. Bei der Ausweisabholung muss sich die Person dann entscheiden: Möchte sie alle bzw. einzelne Organe spenden, möchte sie dies explizit nicht bzw. aktuell darüber noch nicht entscheiden oder soll im Unglücksfall jemand eine bestimmte Person darüber entscheiden? Diese Angabe würde in einem verbindlich einzurichtenden Organspenderegister dann zentral vermerkt.
Verunglückt eine Person, ließe sich so leicht, rechtssicher und schnell von einem durch das jeweilige Krankenhaus benannten Arzt bzw. einer Ärztin über das zentrale Organspenderegister in Erfahrung bringen, ob eine Organentnahme vom Verunglückten bewilligt ist, oder ob die verunglückte Person einer Entnahme vorab widersprochen hat.
Mit diesem Vorschlag zeigen wir meines Erachtens einen guten Weg auf, wie die grundlegende, möglicherweise lebensrettende Entscheidung darüber, was mit den eigenen Organen am Lebensende geschehen soll, regelmäßig und rechtssicher organisiert werden kann und dabei das Selbstbestimmungsrecht sowie die Menschenwürde gewahrt bleibt. Nach aktuellem Stand wird im Bundestag im Frühsommer 2019 das Gesetz verabschiedet. Bis dahin werden wir weiter über die Chancen und Risiken der verschiedenen Vorschläge diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer