Frage an Oliver Krischer von Henning L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Krischer,
wie stehen die Grünen bzw. Sie selbst zum Wunsch vieler Menschen, dass die Netzneutralität, wie Sie von Unternehmen wie der Deutschen Telekom augenscheinlich in Zukunft unterwandert werden soll, im Grundgesetz festgeschrieben oder gesetzlich verankert werden sollte.
Wie stehen Sie selbst zum eher schleppenden Netzausbau in der Region Aachen, Düren, Euskirchen? Wird Ihrer Meinung nach hier genug getan, um allen Menschen einen ungehinderten Zugang zum Internet zu gewährleisten?
Vielen Dank.
H. Langen
Sehr geehrter Herr Langen,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Netzneutralität und Netzausbau in Deutschland sowie Ihr Interesse an der Arbeit der grünen Bundestagsfraktion. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Gern möchte ich Ihnen eine Antwort nach Themenkomplexen geben.
1. Netzneutralität
Wir Grüne im Bundestag fordern die Bundesregierung seit Jahren dazu auf, endlich eine gesetzliche Regelung vorzulegen, welche die Netzneutralität dauerhaft sichert. Doch bisher fruchtet dies bei Union und FDP nicht.
Aus unserer Sicht ist es nicht tolerierbar, dass eines, wenn nicht das grundlegendste Prinzip eines freien Netzes zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger ausgehöhlt wird und neue Datentarife, die eigene Dienste bevorzugen, die Nutzerinnen und Nutzer in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft einteilen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung muss ihre Hausaufgaben machen.
Die jetzige Entwicklung hat sich lange abgezeichnet: der Druck, die Netzneutralität abzuschaffen, nimmt seit Jahren zu. Wurden entsprechende Pläne bislang nur hinter vorgehaltener Hand geäußert, liegen sie nun auf dem Tisch.
Eine Zwangsdrosselung ist eine künstliche Verknappung des Internets, die BürgerInnen den Netzzugang verknappt. Die Bevorzugung von eigenen Diensten wie „T-Entertain“ ist zudem ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller im Netz transportierten Daten. Die Frage, wie man die Netzneutralität sichert, ist eine der Schlüsselfragen der digitalen Gesellschaftspolitik. Das haben CDU/CSU und FDP bis heute leider nicht erkannt. Obwohl wir die Merkel-Koalition in mehreren Initiativen aufgefordert haben, das Prinzip der Netzneutralität endlich gesetzlich zu sichern. Bereits vor über zwei Jahren haben wir mit dem Antrag "Gegen das Zwei-Klassen-Internet – Netzneutralität in Europa dauerhaft gewährleisten"(Bundestags-Drucksache 17/3688) für eine europaweite Lösung plädiert und die Bundesregierung aufgefordert, endlich tätig zu werden.
Im Zuge der Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) haben wir Grünen die schwarz-gelbe Bundesregierung noch einmal mit einem konkreten Gesetzentwurf aufgefordert, endlich eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen. Statt unsere Forderung aufzunehmen, hat die Bundesregierung in völlig falsch verstandener Wirtschaftsnähe eine absolut halbgare Lösung vorgelegt. Das rächt sich heute. Mit ihrem Laissez-faire-Ansatz ist diese Bundesregierung krachend gescheitert. Sie hat, obwohl sie in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte einzuschreiten, wenn dies notwendig wird, dies eben nicht getan, sondern zugesehen, wie das Kind in den Brunnen fällt.
Wir Grüne sagen auch weiterhin klar: Wir wollen kein ,,Zwei-Klassen Internet", das die Daten desjenigen bevorzugt, der eigener Kunde ist oder mehrt zahlen kann. Wir werden die Bundesregierung auch weiterhin mit Nachdruck an ihre Versäumnisse erinnern und sie auffordern, unsere Vorschläge einer gesetzlichen Sicherung endlich aufzugreifen und die Netzneutralität gesetzlich abzusichern.
2. Breitbandausbau
Deutschland steht an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter des Arbeitens, der Kommunikation sowie des gesellschaftlichen Miteinanders. Der schnelle Zugang zum Internet mittels Breitbandanschluss ist heute die Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt und gesellschaftliche Teilhabe.
Der zügige Ausbau der Breitbandinfrastruktur gehört zu den zentralen Aufgaben der Standortsicherung, der Wettbewerbsfähigkeit sowie des Wirtschaftswachstums.
Wir Grüne fordern eine Verpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, jedem zahlenden Haushalt einen Basis-Breitbandanschluss anzubieten (so wie jeder den Anspruch hat, täglich mit der Post beliefert zu werden – auch auf der Hallig oder einer Alm).
Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen im ganzen Land Zugang zu schnellem Internet mit 6 Mbit/s haben. Ziel grüner Politik ist es, eine flächendeckende Grundversorgung mit Breitband in Deutschland zu gewährleisten, die wir dynamisch gestalten wollen. Das bedeutet, die Übertragungsgeschwindigkeit an den entsprechenden Bedarf anzupassen, damit wir die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Was heute als schneller Standard gilt, kann morgen schon das Äquivalent zum knatternden Modem sein.
Perspektivisch soll es daher nicht bei der Grundversorgung bleiben: Das Netz bietet immer neue Anwendungen und damit mehr Datenumsatz. Wir brauchen deshalb immer leistungsfähigere Netze. Aus diesem Grund setzen wir parallel auf zwei Ziele: Grundversorgung sichern und Anreize für einen schnelleren Ausbau der Netzinfrastruktur mit Glasfaser schaffen. Der Glasfaserausbau kann nur durch einen Maßnahmenmix gelingen. Detaillierte Forderungen hier zu finden sich im Fraktionsbeschluss zum Breitbandausbau, den Sie unter folgendem Link abrufen können: http://gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/breitbandversorgung.pdf
Unter anderem fordert die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hierin eine wettbewerbs- und investitionsfreundliche Rahmenregulierung, um den Aufbau einer gemeinsamen, hochleistungsfähigen Infrastruktur zu beschleunigen, sowie die Nutzung von Synergieeffekten zwischen kommunalen Versorgungsunternehmen wie beispielsweise Stadtwerken und Telekommunikationsanbietern.
Bündnis90/Die Grünen haben sich gemeinsam mit der SPD im Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen darauf verständigt, bis 2018 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit 50 MBit/s zu ermöglichen. Dies ist umso wichtiger, als davon die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen in NRW und die Beteiligungsmöglichkeiten vieler Bürgerinnen und Bürger speziell im ländlichen Raum abhängt. Um das Ziel erreichen zu können, müssen wir in Zukunft noch genauer lokalisieren können, wo sogenannte weiße Flecken sind, um den betroffenen Kreisen und Kommunen mit einem Bündel von Maßnahmen gezielt helfen zu können. Ein wichtiger Baustein hierfür ist das Projekt BreitbandConsulting.NRW ( http://www.breitband.nrw.de/ ), dass bei der Konzeption und Umsetzung von Projekten zum Ausbau regionaler Hochgeschwindigkeitsnetze helfen soll. Wir Grüne werden uns dafür einsetzen, dass diese Arbeit gestärkt und ausgebaut wird.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer