Frage an Oliver Krischer von Frank B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Krischer,
ich bin Stammleser auf kritischen Webseiten. Dort lese ich jeden Tag mehrfach, dass Deutsche von „Südländern“ (meist Türken) überfallen, verprügelt, vergewaltigt, bedroht, beleidigt und nicht selten getötet werden. Meist durch Zeitungen oder Presseportalen der Polizei belegt. Auch die Webseite deutscheopfer.de befasst sich mit diesem Thema. Ich hoffe Sie ersparen mir die Rassismuskeule und widmen sich der Beantwortung meiner Fragen.
Meine Fragen:
• Welchen Nutzen zieht Deutschland aus gewaltbereiten „Südländern“?
• Inwiefern findet eine Bereicherung in Gefängnissen statt, wenn deren Insassen mehrheitlich türkisch/arabischer Herkunft sind?
• Welche Vorteile sehen Sie für deutsche Frauen die von „Südländern“ vergewaltigt wurden? Immerhin werden ca. 70% der Vergewaltigungen in Köln von Türken/Arabern begangen (http://www.aliceschwarzer.de/zur-person/texte-ueber-alice/2003)
• Warum ist nie von Rassismus die Rede, wenn Moslems gezielt Deutsche gewalttätig attackieren, aber stets ein Rassismusvorwurf wenn Deutsche den Islam nur verbal kritisieren?
• Warum werden Statistiken zu Tätern und Opfern in einem modernen Land wie Deutschland nicht so gestaltet, dass die Abstammung von Tätern und Opfern klar erkennbar ist? Soll eine Vertuschung stattfinden?
• Joschka Fischer sagte Sinngemäß „Deutschland muß von außen eingehegt, und innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi verdünnt” werden.” (Quelle : Die Welt 7. 02. 2005; Rezension des Buches von J. Fischer „Risiko Deutschland“) Wann glauben Sie wird das Ziel von Joschka Fischer erreicht sein?
Sollten Sie mir beschwichtigend antworten wollen, dann möchte ich Sie um nachvollziehbare Belege/Quellen bitten. Wenn Sie über Statistiken verfügen, die darlegen, dass „Südländer“ von Nutzen für Deutschland sind, dann wäre ich dafür dankbar. Von mir werden auch – durch Abgeordnetenwatch – Verlinkungen zum Nachvollziehen verlangt. Das Buch „Deutschland schafft sich ab“ liegt mir vor.
Gruß
Frank Borgmann
Sehr geehrter Herr Borgmann,
Ihre Anfrage beantworte ich gerne – vorab aber zwei methodische Anmerkungen:
1. Ihre Kategorie „Südländer“ ist für eine seriöse Antwort kaum handhabbar.
2. Ihre Hinweise zur Beantwortung von Bürgerbriefen (keine „Rassismuskeule“, keine „beschwichtigenden Antworten“) sind für meine Beantwortung nicht nötig.
Kurz zu Ihrer Frage des Nutzens von Einwanderung: Deutschland – und hierbei nicht zuletzt unsere sozialen Sicherungssysteme – ziehen aus der Einwanderung im Allgemeinen große Vorteile. (vgl. Herbert Brücker (vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung / Universität Bamberg): „Auswirkungen der Einwanderung auf Arbeitsmarkt und Sozialstaat“, Bertelsmann-Stiftung 2013). Deutschland wird – nicht zuletzt im Hinblick auf die demografische Entwicklung - auch in Zukunft auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen sein (vgl. BT-Drs. 17/3862).
Nun zu Ihren Fragen zur Kriminalität: Fallstudien – wie z. B. der „Landeskommission Berlin gegen Gewalt“ aus dem Jahr 2007 - wiesen u. a. darauf hin, dass männliche nichtdeutsche Jugendliche und Heranwachsende (in diesem Fall: in Berlin) im Hinblick auf Gewaltdelikte bzw. als sog. Intensivtäter deutlich häufiger polizeilich registriert würden, als deutsche männliche Jugendliche. Es kommt bei solchen Befunden aber wie immer auf eine sorgfältige Analyse und Einordnung der Fakten an.
Dies bringt uns Grüne zu dem Schluss, dass Kriminalität keine Frage des Passes ist, sondern Folge misslungener sozialer Integration:
• Grundsätzlich ist die Kriminalitätsbelastung durch Deutsche und Nichtdeutsche – so jedenfalls die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2010 - „aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Zusammensetzung (Alters- Geschlechts- und Sozialstruktur) nicht vergleichbar: Die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind im Vergleich zu den Deutschen häufiger männlich, unter 30 Jahre alt, Großstadtbewohner und leben häufiger in Situationen, die auch bei Deutschen zu einem höheren Kriminalitätsrisiko führen.“
• Das vergleichsweise hohe Gewaltaufkommen durch nichtdeutsche Jugendliche wird nicht nur vom Bundeskriminalamt (BKA), sondern auch im sog. Sicherheitsbericht der Bundesregierung, vom Kriminologischen Forschungszentrum Niedersachsen, aber auch in der o. g. Berliner Studie vor allem auf die soziale Benachteiligungen junger Zuwanderer sowie auf ihre schlechteren Bildungschancen zurückgeführt.
• Auch sollten man die fatalen Folgen berücksichtigen, die die jahrzehntelange Verweigerung einer aktiven Integrationspolitik in Deutschland hatte, dass sich viele Migrantinnen und Migranten ausgegrenzt und nicht akzeptiert fühlen mussten.
• Im Hinblick auf die Gewaltkriminalität junger Männer verweist die kriminologische Forschung zudem auf Männlichkeitsvorstellungen, wie sie in unterprivilegierten Schichten (gleich welcher Herkunft!) anzutreffen sind und die oftmals (im Rahmen körperlicher Konfliktaustragung oder zur Behauptung der „männlichen Ehre“) Gewaltanwendung legitimieren.
Für uns Grüne ist klar: Das Leben in einer Gesellschaft der Vielfalt ist nicht nur „eitel Sonnenschein“. Die Begegnungen von Menschen mit unterschiedlichen Wertevorstellungen erzeugen auch Spannungen. In Deutschland, aber auch wie überall auf der Welt. Toleranz, Respekt und Akzeptanz sind keine Selbstläufer. Gerade eine Gesellschaft der Vielfalt, die auf Individualität und Heterogenität aufbaut, braucht ein vereinendes Band aus gemeinsamen Werten und Regeln des Zusammenlebens. Für grüne Politik sind dies die zentralen Grundwerte der deutschen und europäischen Verfassungstradition: Freiheit, Demokratie, die Gleichheit aller Menschen und der Geschlechter sowie ein selbstbestimmtes Leben für alle.
Wir meinen, wenn diese Grundwerte gefährdet sind, müssen Staat und Zivilgesellschaft gezielt vorbeugen und eingreifen. Wo immer Diskriminierung – und zwar egal durch wen - Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und andere Formen von Menschenfeindlichkeit auftreten, wird die grüne Bundestagsfraktion klare Kante zeigen.
In diesem Zusammenhang erlauben Sie mir, sehr geehrter Herr Borgmann, bitte noch einen abschließenden Hinweis:
Sie geben als Quelle Ihrer Vorhaltung die Website „deutscheopfer.de“ an. Diese Website ist meines Erachtens klar im rechtsextremen Spektrum zu verorten:
• Der – laut Impressum – verantwortliche Redakteur Götz Kubitschek war / ist nicht nur Burschenschaftler, Mitgründer des rechtskonservativen „Instituts für Staatspolitik“ und Redakteur der neu-rechten Zeitschriften „Junge Freiheit“ und „sezession“ (dort zeigte sich Kubitschek übrigens erst jüngst sehr besorgt über das mögliche „Scheitern“ der klar rechtsextremen „Identitären Bewegung“.
• Und, der für diese Website ebenfalls verantwortliche Felix Menzel ist auch im rechten Milieu aktiv: Auch er schreibt in der o. g. „sezession“, unterstützt die „Identitäre Bewegung“ und ist Herausgeber der rechtsextremen „Schülerzeitung“ „Blaue Narzisse“. Ende 2011 hielt Menzel – wenige Tage nach Auffliegen der NSU - auf Einladung des NPD-Funktionärs Patrick Wieschke (der übrigens zu dem ca. 100 Personen zählenden Unterstützerkreis des NSU gehört haben soll, vgl. taz vom 09.10.2012) einen Vortrag ausgerechnet über das Thema „Ausländerkriminalität“. Hierzu schreibt Wieschke: „Menzel [nannte] verschiedene Morde von Ausländern an Deutschen, die allein im November [2011] begangen wurden. Allein die wenigen bekannt gewordenen Fälle übersteigen die Todesopfer des sogenannten „Terror-Trios“. Aber warum wird hierüber nicht genauso berichtet? Deutschland, wo sind Deine Lichterketten?“
Daher kann ich nicht ganz nachvollziehen, wie Sie, sehr geehrter Herr Borgmann, mit Quellen aus dem rechten Milieu, so klar argumentieren können und wissenschaftliche Quellen nicht zitieren. Diese kommen – wie ich Ihnen hoffentlich aufzeigen konnte – klar zu anderen und differenzierteren Schlussfolgerungen.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer