Frage an Oliver Krischer von Anja W. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Krischer,
ich möchte Sie auf einen Bereich hinweisen, wo dringender Handlungsbedarf besteht: seit Dezember 2009 ist es wieder möglich, den Export von Nukleartechnologie durch staatliche Hermesbürgschaften abzusichern. Im Februar 2010 wurde für das Atomkraftwerk Angra 3 eine Grundsatzzusage über 1,3 Milliarden Euro vergeben, obwohl es dagegen heftige Proteste gibt: Brasilianisch Umweltschützer wehren sich seit Jahren gegen den Bau dieses AKW, da es in einer potenziellen Erdbebenzone liegt, ein veralteter Reaktortyp gebaut werden soll, nur notdürftige Notfallpläne existieren und der einzige Evakuierungsweg häufig durch Erdrutsche blockiert wird. Zudem ist die Atomaufsicht nicht unabhängig und hohe brasilianische Politiker betonen immer wieder die Vorteile einer eigenen Atombombe. Noch gibt es in diesem Fall keine endgültige Bürgschaft, zumal auch mögliche Finanziers noch grundsätzliche Zweifel an der Sicherheit und Qualität des geplanten Reaktors hegen. Im Lichte der japanischen Katastrophe muss die Bürgschaft daher jetzt grundlegend neu bewertet und die Grundsatzzusage wegen der geänderten Lage umgehend zurückgezogen werden.
Neben Angra 3 hat es weitere Bürgschaften, Anträge und Voranfragen für Zulieferungen zu Nuklearanlagen unter anderem in China, Südkorea, Litauen, Russland, Slowenien, Südafrika und Vietnam gegeben. Da die Ereignisse im hoch industrialisierten Japan zeigen, dass die Gefahren der Atomkraft nicht beherrschbar sind, darf erst recht nicht mit Hilfe von Hermesbürgschaften die Verbreitung dieser Technologie in Ländern gefördert werden, in denen die Rahmenbedingungen, Sicherheitsstandards und Aufsicht noch viel schlechter sind. Deshalb bitte ich Sie dringend, sich dafür einzusetzen, dass mit der Atomexportförderung Schluss gemacht wird und sie, wie früher, von der Exportförderung ausgeschlossen wird.
Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden, wie Sie in diesen Angelegenheiten tätig werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Anja Weinhold
Sehr geehrte Frau Weinhold,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir Grüne teilen Ihre Bedenken bezüglich des Exports von Nukleartechnologie und sind seit Beginn der Legislaturperiode darum bemüht, die Vergabe von Hermes-Bürgschaften hierfür zu stoppen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die seit 2001 geltenden nationalen Hermes-Umweltleitlinien außer Kraft gesetzt und damit den Ausschluss der Exportförderung von Nukleartechnologie zum Neubau bzw. zur Umrüstung von Atomanlagen aufgehoben. Diese rückwärtsgewandte und gewinnorientierte Entwicklung betrachten wir mit großer Sorge und sind seit langem um einen Kurswechsel zurück zur alten Regelung bemüht.
Die Koalition hat unseren im Januar 2010 eingebrachten Antrag zur Absetzung der Milliarden-Bürgschaft für einen Export von Atomtechnologie, den ich mit unterzeichnet habe, im Haushaltsauschuss abgelehnt. CDU/CSU und FDP haben statt dessen ohne weiteren Diskussionsprozess über die Neufassung der Leitlinien bei Ausfuhrgewährleistungen eine technologisch und finanziell hochriskante Garantie für den Export von Atomtechnologie nach Brasilien beschlossen: Anfang 2010 hat die Bundesregierung die erste Bürgschaft für Atomexporte im Grundsatz zugesagt und sich bereit erklärt, die Beteiligung von Areva/Siemens am bereits begonnenen Bau des Reaktors Angra 3 im einzigen erdbebengefährdeten Gebiet Brasiliens mit 1,3 Mrd. Euro Hermesbürgschaften abzusichern.
Der Standort für das geplante Atomkraftwerk in Angra dos Reis birgt unverantwortliche Risiken. Er liegt nur etwa 100 Kilometer von der Millionenstadt Rio de Janeiro entfernt in der einzigen erdbebengefährdeten Region Brasiliens. Zudem ist der geplante Druckwasserreaktor Angra 3 technologisch veraltet. Die Technik wurde bereits 1995 gekauft und ist seitdem eingelagert.
Auch wirtschaftlich ist der Reaktorbau in Angra dos Reis hochriskant. Bereits Angra 2 wurde mit Fertigstellungskosten von 7-10 Milliarden US-Dollar zum ökonomischen Desaster. Dessen ungeachtet werden die Kosten für Angra 3 von der staatlichen Betreiberfirma auf nur etwa 2,5 Milliarden US-Dollar angegeben. Diese unrealistisch niedrige Schätzung erhöht das Ausfallrisiko bei der beantragten Hermes-Bürgschaft.
Da die Bundesregierung bisher nicht von ihrem Kurs abgewichen ist, haben Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit der SPD am 23.03.2011 den Antrag „Keine Hermesbürgschaften für Atomtechnologien“ (Drucksache 17/5183) in den Bundestag eingebracht. Hierin fordern wir:
ab sofort keine Hermesbürgschaften für Nukleartechnologien oder andere Technologien, die für den Bau von Atomkraftwerken bestimmt sind, mehr zu vergeben und damit auch die dem Interministeriellen Ausschuss für Export-garantien des Bundes
vorliegenden Anträge auf Exportkreditgarantien für Zulieferungen für Atom-anlagen bzw. den Export von Atomtechnologie abzulehnen,
die Grundsatzzusage für die Hermesbürgschaft für Angra 3 in Brasilien sofort zurückzuziehen,
die Hermes-Umweltleitlinien von 2001 umgehend wieder in Kraft zu setzen und zukünftig konsequent einzuhalten,
die Atomverträge mit Brasilien und Argentinien durch eine Kooperation über erneuer-bare Energien und Energieeffizienz zu ersetzen;
Wir fordern die Bundesregierung also jetzt und in Zukunft dazu auf, nicht wieder in die Exportförderung von Atomtechnologie einzusteigen.
Ich hoffe, Ihre Frage hiermit hinreichend beantwortet zu haben und informiere Sie gegebenenfalls gerne über die weitere Entwicklung der Problematik.
Mit freundlichem Gruß