Wir finanzieren gerade direkt den Krieg Putins über unsere Gasimporte. Setzten sie sich dafür ein diese SOFORT zu beenden?
Sehr geehrter Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe eine ähnlich lautende Frage bereits vor kurzem hier auf dieser Plattform beantwortet. Das Grundproblem hat sich seitdem noch nicht verändert. Zunächst: Dieser brutale und kaltblütige Angriffskrieg Putins ist durch nichts zu rechtfertigen. Gewalt ist niemals eine Lösung. Krieg kennt nur Verlierer. Mein Mitgefühl gilt vor allem dem tapferen ukrainischen Volk, dass sich heldenhaft den irren Plänen eines Machthabers entgegenstellt, der die Zeit zurückdrehen will.
Sie haben mit Ihrer Feststellung leider Recht. Jedoch müssen wir auch über die Folgen sprechen, die das für die deutsche Versorgungssicherheit hätte. Es wäre unverantwortlich heute Entscheidungen treffen, ohne über deren Konsequenzen uns im Klaren zu sein. Deshalb müssen wir uns ehrlich machen und dürfen den zweiten Schritt nicht vor den ersten machen. Was meine ich damit?
In Europa kommen 40 Prozent des Erdgases aus Russland - etwa 20 EU-Staaten sind von russischen Einfuhren abhängig. In Deutschland hat uns der zeitgleiche Ausstieg aus der Atom- und Kohleverstromung in eine noch verheerende Lage gebracht. Wir beziehen rund 55 Prozent des hier verbrauchten Erdgases und 35 Prozent des Erdöls aus Russland. Dass bei allen Diskussionen zur Energieversorgung stets Klimaaspekte dominierten und (inter)nationale Sicherheitsinteressen vernachlässigt wurden, fällt uns jetzt auf die Füße!
Denn bei einem Embargo wären mitnichten nur deutsche Verbraucher betroffen, die ihre vier Wände mit russischem Öl und Gas warmhalten wollen, sondern noch viel mehr die deutsche Industrie. Um es klar zu sagen: Wenn wir den sibirischen Gashahn abdrehen, dann bleiben deutsche Produktionsbänder stehen. Schwere Schädigungen der Wirtschaft, unseres Wohlstands und nicht zuletzt Arbeitslosigkeit wären kurzfristig das bittere Reslutat. Langfristig werden vom Wirtschaftsministerium "schwere ökonomische Verwerfungen" prognostiziert. Weil diese Maßnahme uns so heftig treffen würden, raten uns sogar die USA (!) davon ab.
Aber, und das ist mir ganz wichtig zu betonen: Das heißt nicht, dass ich ein Handelsverbot und damit auch einen Energielieferstopp kategorisch ablehne. Wir müssen schneller denn je auf den Tag X vorbereitet sein. Wer kann denn garantieren, dass einem europäischen Einfuhrstopp nicht zuvorgekommen wird? Russland nutzt schon heute die Gaslieferungen als Druckmittel. Es ist kein Zufall, dass Gazprom in der jüngeren Vergangenheit seine Gasspeicher in Europa systematisch entleert hat, um eine künstliche Verknappung auf dem Energiemarkt zu bezwecken.
Wir müssen uns schnellstmöglich unabhängig machen und unsere Energieimporte diversifizieren. Nur mit Erneuerbaren wird das kurzfristig nicht zu schaffen sein. Wir werden auch Kohle und Gas aus anderen Ländern einkaufen müssen. Diese bittere Notwendigkeit stammt übrigens nicht von mir - sondern vom Grünen Klima-Minister Robert Habeck. Darüber hinaus kämpfe ich nicht umsonst seit Jahren schon für dringend benötigte LNG-Terminals in Deutschland - insbesondere in meinem Wahlkreis in Stade. Wir haben uns in der Vergangenheit von falsch verstandenem Öko-Aktivismus viel zu schnell das Wasser abgraben lassen. Diese Fehler dürfen wir in Zukunft nicht wiederholen. Deutschland denkt jetzt um. Zu spät, aber besser spät als nie.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen nachvollziehbar meine Auffassung zu dieser komplexen Frage schildern.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Grundmann