Wie stehen Sie persönlich dazu, in Artikel 3 des Grundgesetzes den Begriff „Rasse“ zu streichen und gleichzeitig den Schutz der geschlechtlichen und sexuellen Identität einzuführen?
Sehr geehrter Herr P.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie nach meiner Auffassung zur Streichung des "Rasse"-Begriffs in Artikel 3 Absatz 3 im Grundgesetz sowie der Ergänzung um den Schutz der geschlechtlichen und sexuellen Identität fragen.
Zunächst einmal möchte ich klarstellen: Ich habe das Gefühl, dass an der Meinung innerhalb der Debatte um den Rasse-Begriff von manchen festgemacht werden soll, wer ein Rassist ist und wer nicht. Das darf nicht sein. Wir sind uns alle einig in dem Ziel, Rassismus konsequent zu bekämpfen!
Davon abgesehen, schließe ich mich der Auffassung meines Fraktionskollegen Andreas Middelberg an: Der Begriff ist von den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes bewusst gewählt worden, um ein direktes Zeichen zu setzen gegen den Rassenwahn des grauenhaften NS-Regimes. Dieser Rückbezug ist für uns Mahnung gegen rassistische Diskriminierung. Die ständige Rechtsprechung verbindet damit heute ein umfangreiches Diskriminierungsverbot. Menschen, egal welcher Abstammung, Herkunft oder Hautfarbe dürfen nicht benachteiligt werden. In den Rechtswissenschaften nennt man dieses Vorgehen teleologische Auslegung. Wollte man diesen Begriff nun ersetzen, müsste man eine Formulierung finden, die die gleiche Wirkmächtigkeit entfaltet, damit der Status quo nicht unterschritten wird. Um ein Beispiel zu nennen: Das sogenannte "Fernmeldegeheimnis" in Artikel 10 Absatz 1 GG bezieht sich nicht nur auf veraltete, analoge Technologien, sondern eben auch auf den Cyberspace.
Bei der Frage um den Schutz sexueller Minderheiten ist der Sachverhalt anders. Hier besteht noch kein Gesetz im Verfassungsrang – dieses Schutzgut ist durch das allgemeine Antidiskriminierungsgesetz abgedeckt. Eine Aufwertung muss hier noch gründlich diskutiert werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Haltung zu diesen beiden Fragen nachvollziehbar erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Grundmann