Warum sind in einem so reichen Land wie Deutschland nach 16 Jahren christdemokratischer Regierungsverantwortung immer noch Tafeln - also Armenspeisungen - nötig?
Sehr geehrter Herr D.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen hiermit sehr gern beantworte.
Die Arbeit unserer Tafeln kenne ich gut und ich habe großen Respekt für das, was vor Ort geleistet wird. Einige Male habe ich in den Einrichtungen in meinem Wahlkreis selbst mit angepackt oder Spenden vermittelt. Daher weiß ich auch: Armut hat viele Gesichter. Es gibt nicht DIE Patentlösung. Denn obwohl unsere Gesetze und Sozialsysteme darauf ausgelegt sind, breite Hilfsangebote zu unterbreiten und niemanden im Stich zu lassen, passiert es durch plötzliche Schicksalsschläge, Jobverlust oder Wohnungsnot, dass Menschen durchs Netz fallen.
Bei meinem letzten Besuch in Harsefeld waren es aber vor allem Familien aus Rumänien, Bulgarien und dem Kosovo, deren Familienmitglieder hier in Deutschland im Handwerk oder in der Ernte tätig sind. Bei Gehältern vor Ort in Osteuropa von rund 250 Euro monatlich übt Deutschland mit seinem Mindestlohn für diese Menschen eine hohe Anziehungskraft aus. Durch Nutzung der Tafeln sparen die Familien Geld, welches sie nach Hause transferieren.
Abseits dieser persönlichen Eindrücke können wir auf Bundesebene die wirtschaftlichen und sozialgesetzgeberischen Rahmenbedingungen schaffen, damit der Wohlstand bei allen ankommt. Das ist uns in den letzten Jahren gut gelungen. Die unionsgeführte Bundesregierung hat Deutschland in stürmischen Zeiten (Banken- und Finanzkrise, Eurokrise - und jetzt die Corona-Krise) gut navigiert. Es kam durch kraftvolle Hilfspakete und bewährter Kurzarbeit eben nicht wie fast überall sonst auf der Welt zu Massenarbeitslosigkeit und damit auch zu Armut.
Ganz im Gegenteil, wir sind im Vergleich zu anderen Staaten gut aus den ökonomischen Depressionen gekommen:
Im Vergleich zu 2005 haben 5,5 Millionen mehr Menschen einen Job. Heute sind 2,2 Millionen Menschen weniger arbeitslos. Im selben Zeitraum konnten wir das Sozialbudget um rund 300 Milliarden Euro steigern. Außerdem ist seitdem die Beschäftigungsquote bei Frauen gestiegen, das Nettoeinkommen hat sich gesteigert und die Renten wurden deutlich angehoben.
Und trotzdem müssen wir feststellen, dass die Arbeit der Tafeln immer noch notwendig ist. Armutsbekämpfung ist eine Daueraufgabe. Wir müssen hierfür die gesamtwirtschaftliche Lage im Blick behalten und gleichzeitig auf die individuellen Schicksale vor Ort eingehen. Dafür ist der Austausch mit Bundesländern und Kommunen, die für die Sozialhilfe vor Ort verantwortlich sind, besonders wichtig. Im Zentrum muss dabei nicht nur die Verbesserung der Lebenssituation sein, sondern auch die Befähigung zur Selbsthilfe. Mit anderen Worten: Hilfe zur Selbsthilfe.
Dafür möchte ich mich auch in den nächsten Jahren als Mitglied im Stader Kreistag und als direkt gewählter Abgeordneter im Deutschen Bundestag starkmachen.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Grundmann MdB