Beim Lehrermangel müssen Fakten auf den Tisch. Lehrer, Eltern und Kinder haben das Recht auf Transparenz. Was tun Sie konkret, um die Situation in unserem Wahlkreis zu verbessern?
Sehr geehrte/r Frau/Herr Grundmann,
nach Schätzung des Deutschen Lehrerverbandes fehlen 40.000 Lehrkräfte. Nach Schätzung – denn valide Daten fehlen. Schulische Bildung ist ein verfassungsmäßig zugesichertes Grundrecht. Dafür muss die Bundesbildungsministerin die Verantwortung übernehmen, trotz Föderalismus und Kooperationsverbot.
In der Schule meines Sohnes können nicht einmal alle Pflichtstunden planmäßig unterrichtet werden, und zusätzlich gibt es noch eine hohe Ausfallquote. Das ist dramatisch für die Bildung unserer Kinder.
Und auch das eigentlich vorgesehene Maß an Versorgung, das nicht überall eingehalten werden kann, reicht eigentlich nicht aus. Es braucht einen anderen Betreuungsschlüssel, kleinere Lerngruppen, bessere Ausstattung (nicht nur digital) und multiprofessoinelle Teams an den Schulen.
Was tun Sie konkret dafür, dass die Schule, die unsere Kinder per Schulpflicht besuchen müssen, dies auch wert ist?
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Lehrermangels in unserer Region. Sie sprechen da ein Problem an, dass uns nach Auffassung von führenden Bildungswissenschaftlern die kommenden zwanzig Jahre bundesweit vor erhebliche Herausforderungen stellt. Zudem spüren wir die Folgen Russlands Angriffskriegs auch in den Klassenzimmern, da wir zusätzliche Pädagogen benötigen, um ukrainische Kinder und Jugendliche zu beschulen.
Klar ist, der Fachkräftemangel in Deutschland und in Europa ist allgegenwärtig – ob in der Pflege, im Handwerk, im Mittelstand oder eben in der Bildung. Kaum eine Branche ist davon nicht betroffen. Schlimmer noch: Arbeitgeberverbände sprechen inzwischen schon von einem Arbeitskräftemangel. Es fehlen damit nicht nur gut qualifizierte Beschäftigte, sondern immer häufiger auch Angestellte, die keine spezielle Ausbildung mitbringen müssen.
Wir stehen uns also nicht nur branchenübergreifend, sondern auch international in einem Wettbewerb um potenzielle Lehrkräfte.
Ich bin mir als Bundespolitiker darüber im Klaren, dass Bildungspolitik in Deutschland Ländersache ist und somit die Verantwortung für die Personalplanung und -besetzung an Schulen primär bei den Landesregierungen liegt. Deshalb befinde ich mich – was die Lage bei uns im Landkreis Stade und ROW angeht – mit meinen Landtagskollegen und unseren Kommunalpolitikern im engen Austausch.
Gleichzeitig möchte ich es mir nicht zu einfach machen und die Verantwortung einfach beiseiteschieben. Denn wie ich bereits erwähnt habe: vor dieser Aufgabe stehen wir bundesweit. Es wäre unseriös, hier DIE Lösung zu präsentieren, mit der sich der Lehrkräftemangel in Luft auflöst. Ich schlage viel mehr eine Kombination mehrerer Maßnahmen vor, die auf allen Ebenen greifen:
- Gute Arbeitsbedingungen: Hohe Gehälter, umfangreichere Weiterbildungsmaßnahmen und nicht zuletzt ein harmonisches Arbeitsklima sind und bleiben das A und O. Den Abbau von Bürokratie und die Unterstützung im Rahmen digitalisierter Beschulungslösungen müssen wir unbedingt vorantreiben.
- Förderung der Lehrerausbildung: Durch kommunale Stipendienprogramme könnten wir beispielsweise Anreize für zukünftige Lehrkräfte schaffen, nach dem Studium wieder in die Heimat zurückzukehren.
- Internationale Anwerbung: Ähnlich wie in der Pflege können wir Lehrkräfte auch im Ausland anwerben. Insbesondere für die Fremdsprachenfächer wären diese hervorragend geeignet.
- Beibehaltung von Lehrern: Der demografische Wandel lässt sich nicht wegdiskutiere – daher müssen wir auch darüber reden, wie wir es Lehrern attraktiver machen, auch nach der Pensionsgrenze weiter tätig zu bleiben. Steuerliche Anreize oder Teilzeitmodelle wären hier denkbar.
Das wären nur einige Vorschläge, die ich hätte, um dem Lehrermangel kurz-, mittel und langfristig zu begegnen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Haltung nachvollziehbar erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Grundmann