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Ole von Beust
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Frage von Nicolaj S. •

Frage an Ole von Beust von Nicolaj S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Aus aktuellem Anlass: Ich beziehe mich mit meiner Frage auf eine Sendung in der ARD vom 16.01.07 - "dieStory".

Diverse Sparkassen im Norden verkauf(t)en "faule" bzw. "gesunde" Hypothenkredite Ihrer Kunden an sog. ausländische Finanzinvestoren ("Heuschrecken"), die sich dann die Darlehenspakete versilbern und damit viele Sparkassenkunden - teilweise zu Unrecht - mit dubiosen Praktiken in den finanziellen Ruin stürzen.

Hintergrund für dieses Vorgehen der Sparkassen bzw. Investoren sei eine sog. Gesetzeslücke im Darlehensrecht, die anscheinend schon seit Ewigkeiten existiert.

Dadurch entgehen dem Fiskus (der Volkswirtschaft) u. a. horrende Beträge an Steuern, da die Investoren im Ausland bzw. in Steuerparadiesen sitzen und über Tochterfirmen in Deutschland Ihre Geschäfte abwickeln.

Und was besonders zum Nachdenken anregt ist, dass u. a. auch die "Deutsche Bank" bei diesen Geschäftspraktiken wieder mit am Start ist bzw. in diesem Beitrag Erwähnung findet (Generierung von Briefkastenfirmen im Ausland bzw. Darlehensgeber der Investoren!!!)

Ich gehe davon aus, dass Sie bereits Kenntnisse über dieses Gemengelage der Darlehensverkäufe haben und würde von Ihnen daher gerne wissen, welche Meinung bzw. Einstellung Sie zu diesem Thema haben - vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Nicolaj Selter-Belajew

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Sehr geehrter Herr Selter-Belaiew,

es hat in der Tat Verkäufe von Kreditportfolien auch durch norddeutsche Sparkassen gegeben (eine Liste der jüngsten Verkäufe finden Sie z.B. unter: http://verkaufte-kredite.de/hintergrundinformationen/banken-finanzinvestoren.html ). I.d.R werden Portfolien mit sog. "notleidenden" Krediten, also solchen, bei denen die vertragsgemäße Bedienung gestört ist, an andere Kreditinstitute oder an Finanzinvestoren verkauft. Solche sog. "True-Sale-Transaktionen" entlasten die Bücher der verkaufenden Bank von den Risiken und machen so Eigenkapital für neues Geschäft frei. Um die Portfolien interessanter zu machen, werden zuweilen auch nicht notleidende Kredite beigemischt.

Eine Besonderheit in der deutschen Immobilienfinanzierung, nämlich die Besicherung durch Eintragung einer Grundschuld, die bis zur völligen Tilgung des Darlehens in voller Höhe bestehen bleibt und bei der sich der Kreditnehmer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen muss (in allen anderen Ländern werden solche Kredite üblicherweise mit einer Hypothek besichert, deren Wert mit der Tilgung des Kredites abnimmt), eröffnet nun dem Käufer eines solchen Portfolios die Möglichkeit der sofortigen und vollständigen Verwertung der Sicherheit. Möglich geworden ist diese Praxis durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs ( http://verkaufte-kredite.de/pdfs/xi-zr-195_5_verkaufte-kredite-urteil.pdf ) vom Februar 2007, dem zufolge der Verkauf eines Kredites auch ohne Zustimmung und Information des Kreditnehmers rechtens ist.

Kreditnehmer, die ihre Kredite nicht vertragsgemäß bedient haben, haben faktisch keine Chance, sich gegen die sofortige Zwangsvollstreckung zu wehren. Dies hätten sie zwar bei der Kredit gebenden Bank auch nicht, nur wird diese erst bei anhaltendem Ausfall von Zins- und Tilgungszahlungen zu diesem Mittel greifen. Außerdem kann sie sich aufgrund einer üblichen Sicherungsabrede nur in Höhe der noch ausstehenden Summe bedienen. Finanzinvestoren sind dagegen i.d.R. nur an der schnellen Verwertung der Portfolien interessiert. Zudem ist nicht endgültig geklärt, ob sie an die Sicherungsabrede gebunden sind und in wieweit überhaupt die Verbindung der Grundschuld mit dem Kredit bestehen bleibt. Bedient sich der Käufer eines Kredites in voller Höhe aus der Verwertung der Grundschuld (was vorgekommen ist) so ist der Kreditnehmer meistens ruiniert. Er hat weder die Zeit noch das Geld, um gerichtlich dagegen vorzugehen.

Wegen der Unabhängigkeit der Grundschuld vom Kredit kann dies sogar Kreditnehmern passieren, die ihre Kredite vertragsgemäß bedient haben. Dies ist absolut unerwünscht, ebenso wie es nicht erwünscht ist, dass kurzfristig oder vorübergehend säumige Kreditnehmer ihre Existenz verlieren.

Da die gegenwärtige Rechtslage zumindest unklar ist, besteht auf jeden Fall gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Die Bundesregierung hat dies auch bereits erkannt und in dem im September 2007 vorgelegten "Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz)" entsprechende Maßnahmen angekündigt. Hamburg wird im Rahmen des zu erwartenden Bundesratsverfahrens darauf hinwirken, dass auch künftig für normale Bürger eine Immobilienfinanzierung ohne Existenzbedrohung möglich ist. Auf mittlere Sicht wird Hamburg die Bemühungen der EU-Kommission um eine einheitliche Gestaltung der Immobilienfinanzierung im Binnenmarkt (Ende 2007 hat die Komm. das "Weißbuch über die Integration der EU - Hypothekarkreditmärkte vorgelegt) unterstützen ".

Mit freundlichen Grüßen

Ole von Beust