Frage an Olav Gutting von Werner Z. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
Bei einer Bürgerbefragung in Altlußheim, über die Schließung ihres Hallenbades, waren von 1200 Teilnehmern ca. 800 für dessen Weiterbetrieb. Und das, obwohl im Fragebogen stand: „Wenn sie für den Weiterbetrieb (mit einer Sanierung verbunden) stimmen, kommen erhöhte Kosten bzw. Gebühren auf sie zu.“
Trotz dieser Drohung, (Anm. d. Red.) stimmten die Bürger für den Weiterbetrieb. Es ist schon das zweite Hallenbad, nach Östringen, dass aus Geldmangel geschlossen wird. Für unsere maroden Schuleinrichtungen, Hallen- und Freibäder, den Nahverkehr und den dazugehörigen Straßen (die sehen teilweise aus wie in der Pleite gegangenen DDR) fehlt das nötige Geld. Diese Projekte haben Priorität vor allen anderen Dingen!
Desgleichen stimmen wir der Bürgerinitiative für den Erhalt des Ärztlichen Notfalldienstes Kirrlach zu. Auch diese Einrichtung soll aus Spargründen geschlossen werden. Warum fehlt das Geld?
Frage an Sie: Wieso spenden wir Millionen an fast insolvente Euroländer anstatt unsere Steuergelder im eigenen Land einzusetzen?
Werner Zollt
Oberhausen-Rheinhausen
Sehr geehrter Herr Zollt,
für Ihre Anfrage vom 23. Dezember dieses Jahres danke ich.
Lassen Sie mich darauf wie folgt antworten:
In der Tat steht es bei vielen Gemeinden - von Ausnahmen abgesehen - nicht allzu gut um die Kommunalfinanzen. Das hat nicht zuletzt mit den Soziallasten zu tun, die im Rahmen von Hartz IV u.a. von den Städten und Gemeinden zu tragen sind. Auch der Ausbau von Kita-plätzen, zu dem der Bund im Jahr 2012 nochmals rd. 580 Mio. Euro zusätzlich bereitgestellt hat, macht zahlreichen Kommunen finanziell zu schaffen.
So kommt es nicht von ungefähr, dass sich viele Kommunen gezwungen sehen, ihre Einnahmeseite zu verbessern, sprich Steuern, Abgaben und Gebühren zu erhöhen. Sicherlich trägt auch die Bundespolitik zu manchen kommunalen Ausgabensteigerungen bei. Aber auch das darf nicht unterschlagen werden: der Bund verschließt die Augen vor der teilweise schlechten Finanzausstattung der Kommunen nicht.
So übernimmt er beispielsweise - entsprechend der Ergebnisse der Gemeindefinanzkom-mission - im laufenden Haushaltsjahr 2012 für die Kommunen 45 Prozent der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII). 2013 erhöht er seinen Kostenanteil auf 75 Prozent. Ab dem Jahr 2014 wird der Bund diese Ausgaben den Kommunen vollständig erstatten. Gemeinsam mit dem bereits beschlossenen Bildungspaket werden damit die Kommunen bis 2020 in einer Größenordnung von mehr als 50 Milliarden Euro entlastet. Eine einseitige und dauerhafte Kommunalentlastung in dieser Größenordnung - ohne Übertragung neuer kostenträchtiger Aufgaben und sonstiger Ausgabepflichten - ist in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig. Flankiert wird diese Ausgabenreduktion von steigenden Einnahmen.
Ich gebe Ihnen durchaus Recht, wenn Sie sagen, in den neuen Bundesländern steht es zum Beispiel mit der Beschaffenheit des Straßennetzes in einigen Teilen besser als in vielen alten Bundesländern. Überhaupt haben wir in den alten Bundesländern enorme Investitionsdefizite im Infrastrukturbereich wie zum Beispiel Straßeninstandhaltung, Straßenbau, Brückensanierung, Kanalisation, um nur einiges zu nennen.
Zudem darf nicht übersehen werden, dass die Kommunen in der Vergangenheit viele finanzielle Dauerverpflichtungen (Schwimmbäder, Mehrzweckhallen, Theater, Oper, Konzerthäuser, etc.) eingegangen sind, ohne die zum Teil beträchtlichen Folgekosten zu bedenken. Und dabei geht es eben nicht nur um den normalen jährlichen Unterhalt, nein, da kommen dann, wenn die jeweiligen Bauwerke in die Jahre gekommen sind, auch noch erhebliche Sanierungskosten hinzu. Diskussionen hierüber können sie in fast jeder Kommune verfolgen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kosten für Grundsanierungsarbeiten (Stichwort energetische Sanierung) gegenüber früher um ein Vielfaches teuerer geworden sind. Das man sich dann für solche Projekte so manche Milliarde herbeiwünscht, die derzeit für die Euroschuldenkrise bereitgestellt werden muss, ist völlig nachvollziehbar. Bei den öffentlichen Versammlungen im Wahlkreis werde ich immer wieder mit dieser Argumentation konfrontiert.
Aber in dieser Angelegenheit muss man klar und deutlich differenzieren. Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Wir haben uns vor gut einem Jahrzehnt für den Euro entschieden. Das war zweifelsohne eine grundsätzlich gute Entscheidung. Weniger gut war, dass unter der Amtsführung von Rot-Grün Griechenland via Abstimmung im Deutschen Bundestag (FDP und CDU/CSU haben dagegen gestimmt!) in die Währungs-Union aufgenommen wurde. Wenig hilfreich war auch das Finanzgebaren unter Rot-Grün, als man vier Mal hintereinander die im Maastricht-Vertrag vereinbarte Verschuldensmeßlatte gerissen hat. Diese mangelnde Disziplin der damaligen deutschen Bundesregierung unter Kanzler Schröder hat verständlicherweise bei allen Euro-Mitgliedsländern zu einem äußerst laxen Umgang mit den Maastrichter Verschuldungskriterien geführt und damit die Ursache für die heutige Eurokrise gelegt.
Auch wir Deutsche haben es an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen lassen, weil wir selbst die entsprechenden Standards, die ja erst auf unser eigenes hartnäckiges Betreiben hin in den Maastricht-Vertrag aufgenommen wurden, nicht ernst genommen haben. Dieses bewusste Wegschauen rächt sich leider heute. Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass die Einführung des Euro Deutschland eine Menge Vorteile verschafft hat. Und obwohl die Finanz- und Schuldenkrise im Euroraum bereits mehr als 2 Jahre andauert, sind wir bislang trotz aller als Garantien bereitgestellter Milliarden noch ziemlich ungeschoren davon gekommen. Das muss und wird sicher so auch nicht bleiben.
Da werden schon noch finanzielle Belastungen auf uns zukommen. Aber es gibt - da sind sich alle Experten einig - keinen Königsweg, die griechische Schuldenkrise ohne erheblichen finanziellen Eigenbeitrag zu bereinigen. Ob man den Rettungsschirm aufspannt oder stattdessen die griechische Staatspleite provoziert oder den Griechen den Austritt aus der Eurozone nahe legt. Ganz gleich für welchen Weg man sich entscheidet, eine billige Lösung wird es nicht geben. Und wir können natürlich auch nicht so tun, als ginge uns die krisenhafte Zuspitzung der Schuldensituation in einzelnen Euroländern nichts an. Da müssen wir schon aus wohlerwogenem Eigeninteresse zusammen mit unseren Partnerländern nach Auswegen aus der Krise schauen.
Was die Lage der Städte und Gemeinden angeht, so ist gerade vor wenigen Tagen eine Zwischenbilanz des Deutschen Städte- und Gemeindebundes veröffentlicht worden. Die Kurzfassung lautet: Finanziell ging es den Kommunen schon mal schlechter - Probleme haben sie aber dennoch. Anders als in den Vorjahren, haben die Kommunen 2012 kein Minus erwirtschaftet. Damit rechnet zumindest der Deutsche Städte- und Gemeindebund, auch wenn das letzte Quartal noch nicht fertig ausgewertet ist. Für Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg ist das aber nur eingeschränkt eine gute Nachricht: "Die Kommunen werden 2012 eine schwarze Null schreiben, das bedeutet für die Gesamtheit der Kommunen, dass Einnahmen und Ausgaben sich die Waage halten. Das schließt aber nicht aus, dass es Kommunen gibt, denen es strukturell sehr schlecht geht." Ich habe aber auch Kommunen im Wahlkreis, die sind praktisch schuldenfrei.
Für mich -lassen Sie mich das abschließend feststellen - muss im Fokus aller politischen Überlegungen die Sanierung der Haushalte, und zwar bei Bund, Ländern und Gemeinden, stehen. Wir müssen - gerade in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen sprudeln - die Verschuldung, die uns über den Kopf zu wachsen droht, eindämmen. Nur so schaffen wir uns auf Dauer wieder den finanzpolitischen Spielraum, den wir gerade auch im kommunalen Bereich aus Gründen der Lebensqualität benötigen.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting, MdB