Frage an Olaf Scholz von Jonathan R. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Scholz,
Hamburg hat als eines von wenigen Bundesländern keinen LRS-/Legasthenieerlass für Schulen. Für die Pädagogen heißt das stets Einzelfallentscheidungen zu treffen. Außerschulische Förderung z.B. für Kinder mit LRS wird zunehmend erschwert und mit indiskutablen Argumenten werden seitens der Behörde Elternanträge auf Kostenübernahmen abgewiesen. Kinder mit LRS sind, wie Sie sicherlich wissen, ganz normale Kinder mit mindestens durchschnittlicher Inteligenz (sonst wäre es keine LRS, sondern u.U. Lernbehinderung), sie sind die Zukunft unseres Landes, wie es immer so schön in PolitikerInnen-Verlautbarungen heißt, doch diesen Kindern mit einer Teilleistungsschwäche wird die Zukunft oft durch behördliche Einsparungen verbaut! Nur Eltern, die eine Lerntherapie wie zum Beispiel im LOS, nicht günstig, aber sehr gut und lohnend, selbst finanzieren, können entsprechend für die Bildung der Kinder sorgen.
Werden Sie als Bildungspolitikerin sich für die bessere außerschulische Förderung (schulische Förderung ist bislang IMMER gescheitert) in Einrichtungen wie dem bundesweit tätigen LOS - Lehrinstitute für Orthographie und Schreibtechnik - und für eine LRS-Erlass einsetzen?
Was macht die SPD in bildungspolitischer Hinsicht - in 1 Satz gesprochen - generell wählbar?
MfG J. Red.
Sehr geehrter Herr Red,
die Behörde für Bildung Sport hat 2004 „Richtlinien für Außerunterrichtliche Lernhilfen (AUL) im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen“ erlassen. Diese Richtlinie geht davon aus, dass es die zentrale Aufgabe der Schulen ist, durch Förderung im Regelunterricht und gegebenenfalls zusätzliche schulische Fördermaßnahmen Defizite der Schülerinnen und Schüler beim Lesen, Schreiben und Rechnen aufzufangen und auszugleichen. Erst wenn dies nicht ausreicht, sollen außerschulische Fördermaßnahmen ergriffen werden. Die Hilfen werden als freiwillige Leistung im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel von der Behörde genehmigt. Weiterhin kann eine außerunterrichtliche Lernhilfe nur in den Klassen 2 bis 6, frühestens nach 2 Schuljahren beantragt werden. Aber das widerspricht der Zielsetzung, die Schülerinnen und Schüler zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu fördern. Zu kritisieren ist auch, dass die Eltern nicht ausreichend über diese Fördermaßnahmen informiert wurden und werden. So ist z.B. auf den Internet-Seiten der Bildungsbehörde diese Richtlinie nicht zu finden. Schülerinnen und Schüler, die eine sonderpädagogische Förderung im Rahmen ihrer Schule erhalten, können keine außerunterrichtlichen Lernhilfen bekommen. Trotz dieser sonderpädagogischen Förderung kann es aufgrund der mangelnden Binnendifferenzierung des Unterrichts sowie der nicht ausreichenden individuellen Einzelzuwendung weiteren Förderbedarf geben. Vor diesem Hintergrund halte ich einen Rechtsanspruch auf außerunterrichtliche Lernhilfen für angebracht.
Ich teile die Auffassung der SPD-Bürgerschaftsfraktion, die in einer Großen Anfrage vom Juni 2003 (Drucksache 17/2708) vertreten wird. Für die psychische, soziale und körperliche Entwicklung eines Kindes und für sein schulisches Fortkommen ist es unabdingbar, jegliche Aufmerksamkeitsstörungen (wie Konzentrationsstörungen, motorische Unruhe und übermäßiger Bewegungsdrang, Impulsivität, Aggressivität, Wutanfälle, heftige Stimmungsschwankungen, Lese-Rechtschreib-Schwäche, Rechschwäche) möglichst frühzeitig festzustellen und darauf mit adäquaten Maßnahmen zu antworten.
Die Schulen wissen von „besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Rechtschreibens und Rechnens“. Alle Lern- und Verhaltensauffälligkeiten können unabhängig voneinander oder kombiniert auftreten. Da das Ausmaß dieser Auffälligkeiten sowohl durch Störungen in der Person des Kindes als auch durch Umgebungsbedingungen bedingt sein kann, halte ich im Umgang mit diesen Problemen ein vernetztes Vorgehen aller mit dem Kind befassten Institutionen und Personen erforderlich.
Es muss unterrichtliche und außerunterrichtliche Förderprogramme geben. Der Förderbedarf muss so früh wie möglich festgestellt werden. Das Thema „Teilleistungsstörungen“ muss verpflichtender Bestandteil in der Aus- und Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer werden. Schon im Elementarbereich müssen Kinder mit besonderen Auffälligkeiten gefördert werden.
Die Schule ist für die Bildung aller Kinder verantwortlich. Sie hat die Pflicht, auch Kinder mit Lernproblemen entsprechend zu fördern und ihnen den Weg ins Berufsleben zu ebnen.
Für die Sozialdemokratie stand Bildung seit ihrer Gründung im Mittelpunkt und das hat sich bis heute nicht verändert. Nur mit einer guten Bildung und Ausbildung können Menschen sicher durch das Leben gehen. Die Bundesregierung hat 4 Mrd. Euro für mehr Ganztagsschulen bereit gestellt und damit eine Trendwende zum Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland eingeleitet. Obwohl Geld nicht alles ist, ist gute Bildung ohne mehr Geld nicht zu haben. Deshalb wollen wir die Mittel, die bei der Streichung der Eigenheimzulage frei werden, für mehr Bildung einsetzen. Da geht es am Ende um jährlich mehr als 6 Mrd. Euro.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz