Frage an Olaf Scholz von Christian A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Scholz.
Als selbstständiger (Klein-) Unternehmer bin ich lt. Gesetz verplichtet, jährlich ca 500 Euro an die Handwerkskammer Hamburg abzuführen, ohne auch nur die geringste Gegenleistung hierfür zu erhalten. Die Kammer sieht sich selbst als Interessenvertretung der Wirtschaft, also auch von mir. Kürzlich hat die Kammer öffentlich verlautbart, daß sie, ( als Sprachrohr aller Hamburger Unternehmer, die Sie angeblich vertitt ) gegen den aktuellen Volksentscheid stimmt und rief alle Hamburger dazu auf , mit -Nein- zu stimmen. Ich bin jedoch ein Befürworter des Volksentscheides. Die Kammer vertritt nun, obwohl von mir finanziert, nicht meine Interessen und sicherlich nicht die Interessen der Allgemeinheit. Eigentlich müsste ich nun aus der Kammer austreten - aber wie ? Inzwischen gibt es immer lauter werdende Stimmen, die den Kammerzwang , auch wg Verletzung der Menschenrechte, abschaffen möchten. Stellen Sie sich vor, alle Arbeitnehmer müssten per Gesetz Zwangsmitglied von -ver.di - sein. Was für ein Aufschrei ginge durchs Land ! Mit allen Unternehmern in Deutschland wird jedoch so verfahren - sie sind per Gesetz Zwangsmitglied einer "Unternehmer Gewerkschaft," den Kammern. Dumm nur, 90 % der Unternehmer wollen und brauchen lt. seriösen Umfragen die Kammern gar nicht. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf, dieses menschenverachtende Gesetz zur Zwangsmitgliedschaft in einer sich willkürlich äußernden Interessenvertretung abzuschaffen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Auffassung über dieses Thema mitteilten, bzw. ob Sie hier Handlungsbedarf sehen.
Mit freundlichem Gruß
Ihr
Christian Anhalt
Sehr geehrter Herr Anhalt,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich verstehe sehr gut, dass Sie sich Gedanken um die Verwendung Ihrer Beiträge für die Handwerkskammer machen.
Auch ich habe mich über die Aufforderung der Handwerks- und Handelskammer, gegen den Volksentscheid zu stimmen, sehr gewundert. Und das nicht nur, weil ich persönlich den Volksentscheid unterstütze.
Die Legitimation der verpflichtenden Mitgliedschaft in der Handwerkskammer hängt auch für mich ganz entscheidend von der Überparteilichkeit dieser Institution ab. Gegen die Interessenvertretung der Handwerksbetriebe ist selbstverständlich nichts einzuwenden, der aktuelle Volksentscheid hat meiner Meinung nach damit aber nichts zu tun. Deshalb hätte ich mir in diesem Fall ein anderes Vorgehen der Kammern in Hamburg gewünscht.
Generell sehe ich im Deutschen Bundestag keine Mehrheit für eine Änderung des bestehenden Systems der Mitgliedschaft in der Handels- oder Handwerkskammer. Ich will mich aber nicht um eine direkte Antwort drücken: Die Kammern - und das System der Mitgliedschaft - sind im Großen und Ganzen eine gute Tradition in Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz