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Frage von Joachim R. •

Frage an Olaf Scholz von Joachim R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Scholz,

ich halte es für überaus gefährlich, das Thema Mindestlohn zu benutzen, um damit auf Stimmenfang zu gehen.
Sie haben die Pflicht als Politiker, die Menschen darüber aufzuklären, dass ein Mindestlohn je nach Höhe entweder völlig ohne Auswirkungen bleibt oder zu flächendeckenden Freisetzungen der Unternehmen führt.
Bei der Einführung eines Mindestlohnes ist nämlich abzuwägen, ob Sie verhindern möchten, "dass Menschen, die in Vollzeit arbeiten, von ihrem Lohn nicht leben können" und damit mehr Arbeitslosigkeit schaffen oder eine Maßnahme wollen, die völlig ohne Effekt für den Arbeitsmarkt bleibt, sich aber für den ökonomisch unerfahrenen Wähler gut anhört.
Das IFO-Institut stellt in "Zur Einführung von Mindestlöhnen: Empirische Relevanz des Niedriglohnsektors" fest, dass bereits ein Mindestlohn von 6,50 Euro zu einem Beschäftigungsverlust von etwa 465.000 Personen führen dürfte.
Ebenso hebt der Sachverständigenrat in "Mindestlöhne: Ein Irrweg" die Belastung eines Mindestlohnes für den Niedriglohnsektor und die damit verbundenen Freisetzungen hervor.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb sich unsere Bundesregierung überhaupt den Luxus eines Sachverständigenrates leistet, wenn man letztendlich den Rat der Experten dann doch überhört um ein Thema lieber in populistischer Manier auszuschlachten. Sollten diese Experten doch falsch liegen, erläutern Sie mir doch bitte, wie Sie einen effektiven Mindestlohn ausgestalten möchten, ohne dass er entweder wirkungslos bleibt oder zu mehr Arbeitslosigkeit führt.

Hochachtungsvoll,

Joachim Reichardt

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Sehr geehrter Herr Reichardt,

vielen Dank für Ihre Email. Mir geht es nicht um "Stimmenfang", sondern um die Menschen, die für sehr wenig Geld arbeiten. Ich kenne die von Ihnen zitierten Texte sehr gut. Das ständige Wiederholen der These, dass ein gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze kosten würde, ist aber kein Beweis dieser These.

In fast allen anderen europäischen Staaten gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn, in den USA auch. In keinem dieser Staaten lässt sich ein Zusammenhang zwischen Mindestlohn und Arbeitslosigkeit feststellen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Großbritannien. Hier wurde ein gesetzlicher Mindestlohn von der Regierung Blair eingeführt, der ganz eindeutig nicht zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat. Manche Experten und sog. wirtschaftswissenschaftlichen Theorien mögen das glauben, die Wirklichkeit ist aber anders und die Empirie beweist das Gegenteil dieser Theorien.

Das liegt zu einem großen Teil daran, dass die betroffenen Branchen vor allem im Bereich "Dienstleistungen" zu finden sind. Wenn Reinigungskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe endlich einen gerechten Lohn erhalten würden, wird dies sicherlich nicht dazu führen, dass sämtliche Hamburger Hotels ins benachbarte Polen auswandern, weil sie den Reinigungskräften mehr Gehalt zahlen müssen. Dies gilt auch für viele andere Bereiche. Sie werden nicht jedes Mal nach Rumänien fahren, um eine Currywurst zu essen oder sich die Haare schneiden zu lassen, nur weil die Beschäftigten in diesen Branchen endlich einen gerechten Lohn für ihre Arbeit erhalten.

Es kann nicht sein, dass immer mehr Menschen, die in Vollzeit arbeiten, von ihrem Lohn nicht leben können. Es ist nicht Aufgabe des Sozialstaates über das ergänzende Arbeitslosengeld II die Dumpinglöhne einiger Unternehmen in Deutschland zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Scholz

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