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Frage von Guntram O. •

Frage an Olaf Scholz von Guntram O. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Scholz,

ich erinnere mich an eine Diskussionsrunde mit Ihnen in der "Motte" in Ottensen, in der es um Stadtteilpolitik in Altona im Allgemeinen - und im Besonderen um die Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ging. Das liegt ca. vier Jahre zurück. Nach den heutigen Mitteilungen sollen in Deutschland z. Zt. 3,7 Millionen Arbeitslose existieren, was von der Politik als großer Erfolg gegenüber den Zahlen der letzten zwei Jahre gefeiert wird. Nur - als wir uns damals unterhalten haben, waren es auch (nur) 4 Millionen, und ich hatte die Frage gestellt, wie Sie sich vorstellen, - angenommen, Sie könnten 40000 Menschen pro Monat wieder in einen Job vermitteln (heißt dann pro Jahr 480000, in ca. 9 Jahren wären dann die Altlasten abgebaut) - diesen Menschen eine Perspektive zu vermitteln. Also, ich denke, viel besser geworden ist es nicht. Und dann erfahre ich über die Medien, dass es in Deutschland inzwischen 7,4 Millionen Hartz4-Empfänger gibt. Und die Hälfte von ihnen arbeitet? Wofür beziehen sie dann Geld vom Staat?

Diese Diskrepanz erklärt sich mir nicht, vielleicht können Sie mit der Beantwortung dieser Problematik etwas Klarheit schaffen,

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
Guntram Otzen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Otzen,

vielen Dank für Ihre Email. Ich freue mich sehr, dass Sie mein Stadtteilgespräch vor vier Jahren zum Anlass nehmen, mir zu schreiben. Wie Sie sicherlich bemerkt haben, biete ich dieses Stadtteilgespräch jedes Jahr einmal in jedem Stadtteil Altonas an. In Ottensen war ich bereits im Februar, aber vielleicht haben Sie in 2008 wieder Zeit und Interesse vorbeizuschauen, damit wir Ihre Fragen auch persönlich diskutieren können.

Aber zurück zu Ihrer Frage. Wie Sie aus Ihrem Besuch des Stadtteilgesprächs wissen, beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit dem Problem der Arbeitslosigkeit in Deutschland und habe dabei sehr früh darauf hingewiesen, dass vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit das größte Problem ist, das wir in Deutschland zu lösen haben. Deshalb haben wir auch die Reformen bei der Bundesagentur für Arbeit und im Sozialrecht verabschiedet und einige Erfolge dieser Anstrengungen der Regierung Schröder tragen jetzt auch erste Früchte.

Ich stimme Ihnen aber uneingeschränkt zu, dass es jetzt unsere dringliche Aufgabe ist, dass der Aufschwung auch Langzeitarbeitslose und vor allem Jugendliche und Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen erreicht. Dazu haben wir noch vor der Sommerpause zwei wichtige Gesetze verabschiedet, um diesen Personen die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. So wurde beispielsweise ein Beschäftigungszuschuss eingeführt, der bis 2009 für 100.000 Menschen eine Chance bietet, wieder in Arbeit zu kommen. Der Zuschuss wird - und das ist neu in der Arbeitsmarktpolitik - nach einer ersten Förderphase von 24 Monaten den Arbeitgebern, die solche Personen einstellen, unbefristet gewährt. Dieser Zuschuss kann bis zu 75 Prozent des Arbeitsentgelts betragen.

Letztendlich werden alle diese Maßnahmen aber nur Erfolg haben, und da stimme ich Ihnen ebenfalls vollkommen zu, wenn die Arbeitsvermittlung die am besten organisierte Institution Deutschlands wird. Dass die Bundesagentur für Arbeit und die einzelnen Jobcenter vor Ort von dieser Zielvorstellung noch ein wenig entfernt sind, weiß ich von meinen Besuchen in den Jobcentern in Altona und vielen Gesprächen mit den Verantwortlichen in Hamburg und Nürnberg sehr genau. Sie können sich sicher sein, dass die SPD in ihren Bemühungen, dieses Ziel zu erreichen, nicht locker lassen wird.

Neben diesem Thema haben Sie auch auf das Problem der sog. "Aufstocker" hingewiesen, die neben ihrem Einkommen aus Erwerbsarbeit noch zusätzlich Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten. Leider ist es in der Tat so, dass das Einkommen einer Person, die aufgrund der besseren Konjunktur jetzt eine Arbeit findet, nicht immer existenzsichernd ist. Diese Personen sind dann weiterhin auf die Unterstützung durch Sozialleistungen angewiesen.

Ich stimme Ihnen zu, dass es nicht sein kann, dass Menschen, die in Vollzeit arbeiten, von ihrem Lohn nicht leben können. Deshalb fordert die SPD einen gesetzlichen Mindestlohn, weil dieser genau für dieses Problem eine Lösung bietet. Wie Sie wissen, ist aber unser Koalitionspartner aus ideologischen Gründen nicht bereit, diese Lösung umzusetzen. Sicherlich haben Sie aber verfolgt, dass wir uns zumindest auf die Einbeziehung weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und die Neufassung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen einigen konnten. Das ist ein Fortschritt gegenüber der bestehenden Rechtslage, mit dem der Weg zu einem Mindestlohn geebnet ist. Ich bin mir ganz sicher, dass wir auch in Deutschland in wenigen Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn haben werden.

Neben einem gesetzlichen Mindestlohn, den wir weiter Stück für Stück versuchen umzusetzen, sind auch weitere Maßnahmen im sog. Niedriglohnsektor erforderlich. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering prüft momentan die Umsetzungsmöglichkeiten verschiedener Maßnahmen, wie dieser Bereich besser geregelt werden kann. Dazu hat die Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Mai einen Bericht verabschiedet, der verschiedene dieser Vorschläge enthält. Diesen Bericht habe ich Ihnen beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Scholz

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