Frage an Olaf Scholz von Manfred L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Scholz,
erinnern Sie sich einmal an das Jahr 1965. Iran, damals Persien, Irak, Jordanien, Libanon (damals die Schweiz des Nahen Ostens) Saudi Arabien usw waren alles enge Freunde des Westens. Erst nach dem 6Tage Krieg und die gegen alle UN Resolutionen durchgeführte Besetzung Palestinas führte zur heutigen Situation. Glauben Sie wirklich mit Aufklärung und Bombardisierung durch die amerikanischen Freunde in Afghanistan (mit Kolateralschaden) wird es jemals Frieden geben?
Mit freundlichen Grüßen Manfred Liese
Sehr geehrter Herr Liese,
vielen Dank für Ihre Email.
Die deutsche Nahostpolitik ist eingebettet in die europäische Politik für die Region. Bedingt durch seine Geschichte trägt Deutschland eine besondere historische und moralische Verantwortung für die Sicherheit und Existenz des Staates Israel. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist daher das Existenzrecht Israels seit jeher eine der Grundlagen ihrer Außenpolitik. Wir begrüßen, dass dies auch ein großer Teil der arabischen Nachbarn Israels inzwischen akzeptiert, übrigens auch eine Mehrheit der Palästinenser. Gleichzeitig erkennt Deutschland das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat an. Eine nachhaltige Lösung des Konflikts im Nahen Osten kann nach deutscher und europäischer Auffassung nur in einer Zweistaatenlösung und der Anerkennung Israels durch seine arabischen Nachbarstaaten liegen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier trägt mit seiner intensiven Diplomatie in der Region maßgeblich dazu bei, dass Deutschland als wichtiger und vertrauensvoller Partner von allen Konfliktparteien wahrgenommen wird.
Aus unserer Sicht benötigt der Nahe Osten im Prinzip die kontinuierliche Entwicklung einer friedlichen Koexistenz, aus der dann eines Tages gute Nachbarschaft werden könnte. Es gilt dort anzuknüpfen, wo man nach dem Oslo-Prozess schon war und der zum Frieden mit Ägypten und Jordanien führte. Syrien ist aufgefordert, eine konstruktive Rolle in dem Konflikt einzunehmen und die offenen Fragen mit Israel und auch mit dem Libanon zu klären.
Das Präsidium der SPD hat vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Libanon und Israel im Sommer 2006 am 18. August eine Erklärung verabschiedet, in der hervorgehoben wird, dass ein politisches Gesamtkonzept für den Frieden in Nahost notwendig ist. Ziel dieses umfassenden Gesamtkonzepts muss es unter anderem sein, Israel sicherer zu machen, den Libanon in seiner Staatlichkeit zu stärken und den Palästinensern zu ermöglichen, in ihrem eigenen, überlebensfähigen Staat friedlich mit seinen Nachbarn zu leben. Diese Erklärung finden Sie auf der Homepage der SPD unter www.spd.de.
Der Kern Ihres Schreibens betrifft die Situation in Afghanistan: Seit fast fünf Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland in diesem Land aktiv am Aufbau von staatlichen Strukturen und in verschiedenen Bereichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit engagiert. Die Bundeswehr leistet dabei einen unverzichtbaren Beitrag zur notwendigen militärischen Absicherung des Stabilisierungsprozesses in Afghanistan. Allerdings sind 23 Jahre Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft nicht kurzfristig zu überwinden. Die Probleme, mit denen die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft konfrontiert sind, sind substantiell.
Seit einiger Zeit müssen wir eine Verschlechterung der Sicherheitslage vor allem im Süden und Südosten des Landes beobachten. Auch Deutschland ist für den Erfolg der Gesamtmission mit verantwortlich. Wenn die Stabilisierung der Lage im Süden scheitert, ist auch der Erfolg beim Wiederaufbau im Norden infrage gestellt.
Bereits beim NATO-Gipfel in Riga hat Deutschland eine Diskussion angestoßen, wie die Strategie zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan weiter entwickelt werden sollte. Die Bundesregierung hat dabei für einen politischen Gesamtansatz plädiert, der den zivilen Wiederaufbau und die zivil-militärische Kooperation nach dem Vorbild der Regionalen Wiederaufbauteams (PRTs) im Norden verstärkt. Diese Argumente haben viel Zustimmung von unseren Verbündeten erhalten, zuletzt auf dem NATO-Außenministertreffen Ende Januar.
Klar ist: Wir haben ein vitales Interesse an einem Erfolg der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force, kurz ISAF) in ganz Afghanistan. Denn nur wenn ISAF insgesamt erfolgreich sein wird, werden auch die von uns im Norden erzielten Erfolge von Dauer sein.
Deshalb haben wir auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Verlängerung der Bundestagsmandate für die Bundeswehreinsätze in Afghanistan eine breite Diskussion innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion begonnen. Nach einer Sondersitzung der Fraktion in dieser Woche werden auch auf einer Klausursitzung im September ausführlich über die Situation in Afghanistan sprechen. Ich verstehe sehr gut, dass die hohe Zahl an zivilen Opfern Ihnen Sorgen bereitet. Das geht vielen Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht anders. Trotzdem sollten wir uns gut überlegen, ob wir unseren Einfluss, den wir momentan auch auf das andere Afghanistan Mandat (Operation Enduring Freedom, kurz OEF) zur Bekämpfung der Taliban haben, gegen gar keinen Einfluss eintauschen sollten, wenn wir uns unüberlegt aus diesem Mandat zurückziehen sollten. In unserer Fraktion gibt es weiterhin die unbedingte Bereitschaft, die Probleme Afghanistans lösen zu helfen und uns nicht Schritt für Schritt aus der Verantwortung zu stehlen.
Wichtig wird für uns dabei sein, dass wir auch auf die enge Verzahnung von zivilen und militärischen Maßnahmen setzen und unser gesamtes Engagement in Afghanistan auf das Ziel ausrichten, dass die Regierung Afghanistan auf allen Ebenen in die Lage versetzt wird, das Schicksal des Landes wieder selbst zu bestimmen.
Wir sollten übrigens nicht vergessen: Das internationale Engagement in Afghanistan war die Folge des Angriffs der Al Qaida Terroristen am 11.September in New York. Al Qaida und das Taliban Regime waren eng verbündet.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz