Frage an Olaf Scholz von Gerhard R. bezüglich Gesundheit
Glauben Sie tatsächlich an die sozialistiscche Hypothese, die besagt, durch das Schröpfen der Privatversichertern liesse sich die GKV sanieren?
MfG
Gerhard Renninger
Sehr geehrter Herr Renninger,
vielen Dank für Ihre Email.
Gerne erläutere Ihnen, was wir mit der Gesundheitsreform im Bereich der privaten Krankenversicherung wirklich verändert haben.
Vieles, was in den letzten Tagen und Wochen als angeblicher Inhalt der Reform beschrieben wurde, hat mit den tatsächlich im Gesetz enthaltenen Regelungen nichts zu tun.
Ich selbst bin als Anwalt privat krankenversichert. Ich kenne daher die Situation eines privat Versicherten aus eigener Erfahrung gut. Ich habe der geplanten Reform guten Gewissens auch im Hinblick auf die Regelungen für die privaten Krankenversicherungen zustimmen können.
Bislang findet ein Wettbewerb unter den privaten Krankenversicherungen kaum statt. Ein Wettbewerb um die besten und günstigsten Angebote ist jedoch notwendig. Ich verstehe, dass den Versicherungen mehr Verbraucherschutz nicht gefällt. Die Versicherten profitieren aber davon.
Derzeit ist ein privat Versicherter de facto an die einmal getroffene Entscheidung für eine bestimmte Krankenversicherung gebunden. Ein Wechsel zu einer anderen – besseren oder günstigeren – Versicherung ist nach 10 oder 20 Jahren Dauer des Vertrags mit einer privaten Krankenversicherung wirtschaftlich praktisch ausgeschlossen. Deshalb soll es künftig auch für privat Versicherte leichter möglich sein, zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, wenn sie mit ihrer bisherigen Versicherung nicht mehr zufrieden sind. Auch wenn Sie möglicherweise keinen Grund zur Klage über Ihre Versicherung haben, gibt es viele Menschen, die gerne von einer privaten Krankenversicherung in eine andere wechseln möchten. Das weiß ich aus zahlreichen Zuschriften von Menschen, die durch die bisherigen Rahmenbedingungen an einem Wechsel gehindert werden. Dem Wunsch nach einfacheren Wechselmöglichkeiten kommen wir entgegen, indem wir die Hürden, die einem Wechsel häufig entgegenstehen, abbauen. Bislang scheitert ein Wechsel zu einem anderen Versicherungsunternehmen häufig daran, dass die aus den eigenen Beiträgen aufgebauten Alterungsrückstellungen nicht auf die neue Versicherung übertragen werden können und beim Abschluss eines neuen Vertrags das aktuelle Lebensalter zugrunde gelegt wird, nicht aber das des Vertragsbeginns mit der alten Versicherung. Die bisher für die Alterungsrückstellungen bezahlten Prämienanteile verbleiben bei der alten Versicherung und sind für den Versicherten verloren. Dadurch wird ein Wechsel für viele Menschen nach einigen Versicherungsjahren äußerst unattraktiv.
Um diesem Problem zu begegnen, werden die Alterungsrückstellungen in Zukunft beim Wechsel der Versicherung im Umfang eines Basistarifs anrechnungsfähig gestaltet und können auf eine neue Versicherung übertragen werden. Der Bezug zum Basistarif ist notwendig, damit für alle Beteiligten klar ist, auf welchen Leistungsumfang sich die übertragbaren Alterungsrückstellungen beziehen. Denn wie Sie als Kundin oder Kunde einer privaten Krankenversicherung wissen, bieten die Unternehmen sehr unterschiedliche Tarife an. Jeder privat Krankenversicherte kann Anfang 2009 im Umfang des Basistarifs unter Beibehaltung aller Rechte innerhalb einer Frist von 6 Monaten zwischen den Unternehmen wechseln. Wer künftig neu eine private Krankenversicherung abschließt, kann immer nach diesem Modell die Krankenversicherung wechseln.
Wechselmöglichkeiten bestehen übrigens schon heute; auch wenn die Versicherungen nicht oft darauf hinweisen. Innerhalb seiner Kasse kann man in einen anderen Tarif wechseln ohne Gefährdung der Altersrückstellungen. Das geht künftig auch beim Wechsel von privater Krankenversicherung zu privater Krankenversicherung.
Den Basistarif brauchen wir jedoch nicht nur als Bezugsgröße für die Alterungsrückstellungen beim Wechsel von einer Versicherung zu einer anderen. Wir brauchen ihn vor allem für die Menschen, die sich den „normalen“ Tarif nicht leisten können oder die aufgrund einer bestehenden Vorerkrankung nach einer Risikoprüfung abgewiesen werden. Das ist für diese Menschen bitter, denn die gesetzliche Krankenversicherung muss im Prinzip nur Arbeitnehmer versichern, dann aber auch wenn diese krank sind. Selbständige z.B. sind auf die private Krankenversicherung verwiesen.
Es gibt daher eine zunehmende Anzahl von Menschen in Deutschland, die ohne Krankenversicherungsschutz sind. Schätzungen gehen von 200.000 bis 300.000 Personen aus. Ich meine, dass in einem wohlhabenden Land wie Deutschland, jede und jeder das Recht auf eine Krankenversicherung haben sollte, die das medizinisch Notwendige abdeckt. Dafür bürgt nicht zuletzt das grundgesetzlich verankerte Sozialstaatsprinzip.
Im Basistarif dürfen sich die Prämien nur aufgrund des Alters und des Geschlechts unterscheiden, es dürfen jedoch keine Risikozuschläge erhoben und es darf niemand abgewiesen werden. Dieser Tarif, der ein der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbares Leistungsangebot enthält, kann von allen gewählt werden, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind oder versichert sein können. Auch ehemalige privat Krankenversicherte, die aus finanziellen Gründen nicht mehr versichert sind, können so zu ihrer alten Versicherung zurück. Um die Bezahlbarkeit des Basistarifs zu gewährleisten, darf dieser den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreiten. Wer auch diesen Betrag nicht aus eigener Kraft aufbringen kann, bezahlt einen reduzierten Beitrag. So können wir verhindern, dass jemand seinen Versicherungsschutz verliert, nur weil er oder sie vorübergehend die Prämien nicht mehr voll bezahlen kann.
Etwas Ähnliches gibt es übrigens schon. Die Krankenversicherungen müssen über 65jährigen Mitgliedern einen Standardtarif anbieten. Das hat überhaupt keine Probleme verursacht. Wie der Standardtarif wird der neue Basistarif ausgestaltet sein. Er wird deshalb genauso problemlos funktionieren.
So wie heute die gesetzliche Krankenversicherung jeden Arbeitnehmer versichern muss, egal wie krank er ist, müssen das in Zukunft die privaten Krankenversicherungen bei den Selbständigen. So wie die gesetzlichen Krankenkassen das gut verkraften, werden das die privaten Krankenversicherungen auch verkraften. Die wenigen Kranken können von mehreren Million privat gegen Krankheit Versicherten ohne große Probleme abgesichert werden. Für die privaten Krankenversicherungen gelten nun die gleichen Spielregeln wie für die gesetzlichen Krankenkassen. Das finde ich als privat gegen Krankheit Versicherter gut.
Es geht uns bei der Gesundheitsreform nicht darum, die private Krankenversicherung unattraktiv zu machen. Im Gegenteil. Sowohl die private als auch die gesetzliche Krankenversicherung sollen als gewachsene Versicherungen in Deutschland weiter nebeneinander existieren können. Wir wollen lediglich die Rahmenbedingungen für diejenigen Versicherten verbessern, für die sich das heutige System nachteilig auswirkt.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz