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Frage von Andreas F. •

Frage an Olaf Scholz von Andreas F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Scholz,

Nach einer Umfrage des Forsa-Instituts für das Magazin stern glauben 82 Prozent aller Deutschen, dass „auf die Interessen des Volkes keine Rücksicht“ genommen wird.
http://www.stern.de/politik/deutschland/forsa/:Forsa-Umfrage-Die-Regierung-Volk/579367.html

Dieser Vertrauensverlust ist eine schwere Hypothek für unsere parlamentarische Demokratie. Niemand kann ausschließen, dass Kollegen Ihrer Fraktion „Beraterverträge“ mit Unternehmen der Energiewirtschaft abgeschlossen haben. Oder wissen Sie mehr als die Wähler?

Am 18. Oktober 2005 trat die letzte Änderung des Abgeordnetengesetzes in Kraft.
http://bundesrecht.juris.de/abgg/index.html
Unter §44a (4) heißt es: „Tätigkeiten vor Übernahme des Mandats sowie Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können, sind nach Maßgabe der Verhaltensregeln (§ 44b) anzuzeigen und zu veröffentlichen.“ §44b führt aus: „Der Bundestag gibt sich Verhaltensregeln, die insbesondere Bestimmungen enthalten müssen über (...) die Veröffentlichung von Angaben im Amtlichen Handbuch und im Internet“.

Die im Gesetz angesprochenen Verhaltensregeln sind beschlossen und gültig. Nach geltendem Recht sind „Einkünfte neben dem Mandat (...) zu veröffentlichen.“ Tatsächlich sucht man die Informationen auf der Internetseite des Bundestages vergeblich.

Der Verfassungsrechtler Prof. Hans Herbert von Arnim schreibt, „Die Entscheidung von Bundestagspräsident Lammert, vorerst keine Angaben zu Nebeneinkünften der Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichen, stellt die Ankündigung eines offenen Gesetzesbruchs dar. (...) Der Bundestagspräsident ist nicht befugt, die Anwendung des Gesetzes auszusetzen.“
http://www.campact.de/nebenekft/home

Können Sie bitte erklären, weshalb der Bundestagspräsident Ihrer Auffassung nach "nicht gegen geltendes Recht verstößt“?

viele Grüße
Andreas Falken

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Falken,

vielen Dank für Ihre Frage. Gestatten Sie mir zu Beginn die etwas saloppe Bemerkung: vier Juristen, fünf Meinungen.

Dieses Satz gibt es nicht von ungefähr. Wie Sie meiner Antwort entnehmen konnten, bin ich für die Veröffentlichungspflicht der Nebeneinkünfte. Ich habe selbst an dem Gesetz mitgewirkt und meine Angaben deshalb auch schon lange auf meiner Homepage www.olafscholz.de für jeden öffentlich sichtbar gemacht.

Ich empfehle in der aktuellen Debatte daher etwas mehr Pragmatismus und einen eher politischen denn formal juristischen Blick auf den Vorgang. Jeder Bundestagsabgeordnete ist seiner Pflicht nachgekommen, seine Nebeneinkünfte dem Bundestagspräsidenten zu melden. In der Bundestagsverwaltung liegen also bereits alle Daten vor. Der Bundestagspräsident wartet mit der Veröffentlichung jedoch noch, bis ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht die Veröffentlichungspflicht bestätigt. (Davon gehe ich übrigens aus.)

Sollte das Bundesverfassungsgericht die Veröffentlichungspflicht für rechtswidrig erklären, dürften keine Daten über die Höhe der Nebeneinkünfte veröffentlicht werden. Da eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte, falls der Bundestagspräsident dies bereits getan hätte, nicht rückgängig gemacht werden kann, weil alle Daten dann bereits bekannt sind, hätte ein Urteil des Verfassungsgerichtes keine Auswirkung mehr auf die aktuelle Veröffentlichungspflicht. Ich kann die Entscheidung des Bundestagspräsidenten daher nachvollziehen.

Sie können sich doch aber auch ganz einfach direkt an den Bundestagspräsidenten wenden und ihn fragen, warum er mit der Veröffentlichung bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wartet.

Ich bin mir ganz sicher, dass der Bundestagspräsident die Daten umgehend nach einem Verfassungsgerichtsurteil veröffentlichen wird und sich die ganze Aufregung sehr schnell legen wird.

Im Übrigen ist es für die Wählerinnen und Wähler doch auch schon im Moment sehr einfach, etwas über die Einstellung ihres Abgeordneten zu dem Thema zu erfahren. Viele Abgeordnete haben Ihre Nebeneinkünfte bereits heute auf Ihrer Homepage offen gelegt. Jeder interessierte Wähler kann also auch heute schon nachlesen, ob seine Abgeordnete oder sein Abgeordneter seine Nebeneinkünfte veröffentlicht hat oder ob sie oder er erst auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Scholz

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