Frage an Olaf Scholz von Tanja B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Scholz,
Sie planen eine krankenversicherungspflicht für Alle. Z.B. sollen ehemals Privatversicherte, die sich den Beitrag seinerzeit nicht mehr leisten konnten, sich wieder privat versichern können. Wie aber können ehemals Pflichtversicherte, die arbeitslos wurden, vom Arbeitsamt gesperrt und in der Folge auch ihren Versicherungsschutz verloren haben, sich dann aber selbstständig gemacht haben (natürlich keine Ich-AG weil Arbeitsamtsperrung) wieder krankenversichern? Sie müssten sich privat krankenversichern aber keine PKV nimmt sie auf. (Dieser Fall existiert). Wenn aber die Gesundheitsreform die PKV lediglich dazu zwingt ehemals privat versicherte wieder aufzunehmen, haben diese Leute keine Möglichkeit je wieder krankenversichert zu werden. Meine Frage also: Wenn KVpflicht für alle, wie können sich dann solche Leute wieder krankenversichern? Noch eine Frage zur Beitragshöhe: Leute die sich den Beitrag nicht leisten können zahlen nur die Hälfte vom ges. Höchstbeitrag. Was aber, wenn man sich nicht mal das leisten kann? Diesen Leuten würde von der PKV gekündigt werden und die geplante Versicherugnspflicht für alle war dann nur ein theoretisches Konstrukt.
Ich hoffe doch sehr auf Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Tanja Becker
Sehr geehrte Frau Becker,
vielen Dank für Ihre Email.
Ab dem 1.1.2009 besteht zum ersten Mal in der deutschen Sozialgeschichte für alle Einwohnerinnen und Einwohner die Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen. Die Bezahlbarkeit der Krankenversicherung wird dabei auch für die von Ihnen beschriebenen Fälle sichergestellt.
Im Detail sieht die Regelung folgendes vor:
Ab dem 1.1.2009 müssen alle Bürgerinnen und Bürger einen Krankenversicherungsschutz für ambulante und stationäre Versorgung abschließen. Für Versicherte, die dem System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuzuordnen sind, gilt dies bereits ab dem 1.4.2007. Und ab 1.1.2009 müssen sich alle, die weder in der GKV pflicht- bzw. freiwillig versichert sind noch einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz wie z. B. freie Heilfürsorge haben, in einer privaten Krankenversicherung (PKV) entweder über den neuen Basistarif mit Kontrahierungszwang und bezahlbaren Prämien oder in einem anderen PKV-Tarif für ambulante und stationäre Leistungen absichern. Das gilt auch für den von Ihnen beschriebenen Fall einer Person, die sich nach dem Bezug von Arbeitslosengeld selbständig macht. Wer selbständig ist, gehört zum Bereich der PKV und muss von einer privaten Krankenversicherung versichert werden. Selbstverständlich kann er aber auch, wenn er freiwillig gesetzlich krankenversichert ist, in seiner bisherigen Krankenkasse bleiben.
Nichtversicherte, die dem PKV-System zuzuordnen sind, wie in ihrem Beispiel, erhalten bereits ab dem 1.7.2007 die Möglichkeit sich im bisherigen Standardtarif der PKV ohne Risikoprüfung und -zuschläge zu versichern. Es besteht Kontrahierungszwang. Für die Bezahlbarkeit (Reduzierung bei niedrigem Einkommen) gelten die gleichen Regelungen wie sie künftig für den Basistarif ab 2009 vorgesehen sind. Damit diese Regelung nicht ins Leere läuft, muss die PKV die Behandlung der Versicherten auch in diesem neuen Standardtarif sicherstellen. Der Standardtarif wird zum 31.12.2008 in den neuen Basistarif „überführt", indem die Versicherten das Recht erhalten, in den neuen Basistarif zu wechseln.
Zugang zum Basistarif erhalten
1. alle Nichtversicherten, die zum PKV-System gehören (d.h. alle Selbständigen!),
2. alle freiwillig in der GKV Versicherten innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten nach Beendigung der Versicherungspflicht und bis zum 30.06.2009 alle freiwillig Versicherten, deren Versicherungspflicht vor dem 1.1.2009 beendet war,
3. alle Bestandskunden der PKV bis zum 30.06.2009 in den Basistarif jedes beliebigen PKV-Unternehmens, danach in den Basistarif ihres Versicherungsunternehmens, wenn sie mindestens 55 Jahre alt sind oder durch die Zahlung der Versicherungsprämie bedürftig würden.
Um die Bezahlbarkeit des Basistarifs zu gewährleisten, darf dessen Beitrag für Einzelpersonen den durchschnittlichen Höchstbeitrag in der GKV nicht überschreiten. Der durchschnittliche Höchstbeitrag in der GKV beträgt derzeit rund 500 Euro. Sind Ehegatten oder Lebenspartner auch im Basistarif, darf die Prämie für beide Partner insgesamt nicht mehr als 150 Prozent des durchschnittlichen Höchstbeitrags der GKV betragen.
Kann sich ein Versicherter den Basistarif nicht leisten, muss die PKV einen um die Hälfte reduzierten Tarif anbieten. Würde die Bezahlung auch dieses Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) oder SGB XII (Sozialhilfe) auslösen, stellen Zahlungen der zuständigen Behörden (Agentur für Arbeit oder das Grundsicherungs-und Sozialamt) sicher, dass die Betroffenen nicht finanziell überfordert werden. Dadurch ist auch der von Ihnen beschriebene Fall klar geregelt. Diese Person wird eine Krankenversicherung abschließen können, bzw. müssen.
Das Recht und die Pflicht zur Versicherung sind ein sozialpolitischer Meilenstein!
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz