Frage an Olaf Scholz von werner s. bezüglich Familie
Was werden Sie tun, um Müttern (und Vätern) mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe bei der Wahrnehmung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu ermöglichen?
Sehr geehrter Herr Schuren,
vielen Dank für Ihre Frage.
Wir realisieren derzeit zunehmend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise über das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Es sieht vor, dass Länder und Kommunen, die für die Kinderbetreuung zuständig sind, ihre Angebote an Krippen- und Tagespflege für die unter Dreijährigen ab 2005 so erweitern, dass diese Angebote bis zum Jahr 2010 dem Bedarf der Eltern und Kinder entsprechen. In den westdeutschen Ländern soll dazu die Zahl der Betreuungsplätze auf rund 230.000 bis zum Jahr 2010 ansteigen.
Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) bestehen Möglichkeiten bei der Förderung der Erziehung in der Familie, der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege sowie zur Hilfe bei der Erziehung. Wie bei anderen Eltern hängt die Höhe des Elternbeitrages zur Finanzierung der Kinderbetreuung von den finanziellen Verhältnissen der Familie ab. Das Jugendamt kann die Kosten für die Kinderbetreuung ganz oder teilweise übernehmen, wenn diese den Eltern nicht zuzumuten sind. Einen spezifischen Bedarf, der durch die Behinderung von Eltern entsteht, kann die Kinder- und Jugendhilfe zwar nicht ausgleichen, da diese Aufgabe der Eingliederungshilfe vorbehalten ist. Aber diesen Eltern und ihren Kindern stehen im Übrigen sämtliche Leistungen des SGB VIII zur Verfügung. Von besonderer Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit sein, in Notsituationen eine Haushaltshilfe für einen begrenzten Zeitraum zur Betreuung und Versorgung von Kindern einzusetzen (§ 20 SGB VIII). Speziell für Menschen mit Behinderung haben wir den Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz verankert. Daneben gibt es weitere rechtliche Grundlagen, um Müttern und Vätern mit Behinderung bei der Wahrnehmung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu unterstützen:
• Eltern-Kind-Kuren nach § 41 SGB V werden von den Krankenkassen voll
finanziert.
• § 17 Abs. 2 SGB I beinhaltet den Rechtsanspruch bei "Ausführung von
Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und
Behandlungen" einschließlich einer kostenlosen Gebärdendolmetschung für
den Leistungsberechtigten.
• Nach § 198 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 38
Abs. 3f. haben krankenversicherte Frauen "Anspruch auf häusliche Pflege,
wenn diese wegen Schwangerschaft oder Entbindung erforderlich ist soweit
eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann".
• In der Begründung des Gesetzgebers zu § 31 SGB IX gehören zu den
Hilfsmitteln auch solche, die zur Wahrnehmung von Aufgaben der
Familienarbeit notwendig sind.
Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben diese Beispiele nicht. Sie dienen dennoch als Beispiel für die Vielzahl von Hilfen, die Müttern und Vätern mit Behinderung zustehen. Bei der Gleichstellung behinderter Menschen werden wir den begonnenen Weg weiter beschreiten. Dazu haben wir mit dem Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des SGB IX folgenden Punkt beschlossen: "Im Rahmen ihrer Zuständigkeit müssen die unterschiedlichen Träger in Zukunft stärker die besonderen Bedürfnisse behinderter Eltern auch außerhalb des Arbeitslebens bei ihrem Recht auf Teilhabe und für die Ausübung ihres Rechts auf Elternschaft berücksichtigen. Sobald mehrere Träger zuständig sind, ist die Leistung als Komplexleistung zu gestalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch unabhängig von der Berufstätigkeit bei behinderten Eltern Hilfen zur Mobilität zu fördern sind, hörbehinderte Eltern Verständigungshilfen für Elternsprechtage benötigen, barrierefreie Kindermöbel erforderlich sind oder die Elternschaft nur mit Assistenz oder Anleitung wahrgenommen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz