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Frage von Ferdinand E. •

Frage an Olaf Scholz von Ferdinand E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Warum tritt die SPD für den Beitritt der Türkei zur EU ein. Dieses Land erkennt ein EU-Mitglied nicht an (Zypern). Das müsste reichen, um denen klar zu sagen, dann gibt es auch keinen Beitritt ! Als SPD-Mitglied (seit 1969) lehne ich den Beitritt der Türkei ab. Gruß Ferdinand Esser

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Sehr geehrter Herr Esser,

vielen Dank für Ihre Frage.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU haben eine bereits vierzig jährige Geschichte. Schon 1963 hatte die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit Unterstützung der bundesdeutschen Regierung ein Assoziierungsabkommen mit der Türkei geschlossen, das die Option einer späteren Mitgliedschaft ausdrücklich einschloss; 1996 folgte die Zollunion zwischen der EU und der Türkei. Dieser Kontinuität folgend wurde 1999 auf dem Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in Helsinki beschlossen, dass die Türkei auf Grundlage der Kopenhagener Kriterien Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnehmen könne. Diese Kriterien umfassen institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtstaatliche Ordnung, Wahrung von Menschenrechten, Schutz von Minderheiten, eine funktionierende Marktwirtschaft, die den Marktkräften innerhalb der Union standhält sowie die Übernahme des rechtlichen Besitzstandes der Union. Zusätzlich ist der Abbau der Sonderstellung des Militärs im Staat erforderlich. Die in den letzten Jahren durchgeführten gesetzgeberischen Reformen in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Minderheiten und die positive Wirtschaftsentwicklung zeugen vom Willen der Türkei sich zu reformieren.

Am 17. Dezember 2004 beschloss der Europäische Rat, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober 2005 aufzunehmen. Deutschland hat diese Entscheidung unterstützt. Ziel der Beitrittsverhandlungen ist die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU.

Dass es während der Beitrittsverhandlungen immer wieder zu Problemen und Verzögerungen kommen würde, war allen beteiligten Personen klar. Der Prozess wird daher sicherlich zehn bis fünfzehn Jahre dauern.

Zypern sollte vor seinem Beitritt zur EU wiedervereinigt sein. Die Wiedervereinigung Zyperns sollte auf Grundlage eines UN-Abkommens erfolgen. Die Türkei hatte diese Vorgehensweise und das UN Abkommen zur Wiedervereinigung akzeptiert. Die türkischen Bewohner Nordzyperns haben in einem Referendum auch mehrheitlich für die Widervereinigung gestimmt, die Bewohner der völkerrechtlich anerkannten Republik Zypern (das mehrheitlich von Griechen bewohnte Südzypern) haben die Wiedervereinigung mehrheitlich abgelehnt. Trotzdem konnte Zypern 2004 der EU beitreten. Diesen Beitritt Zyperns ohne den nördlichen Teil haben viele türkischstämmige Zyprioten im Norden und auch viele Menschen in der Türkei als Vertrauensbruch aufgefasst. Dies soll in keinem Fall die aktuelle Politik der Türkei entschuldigen, sie macht aber die aktuellen Schwierigkeiten verständlicher.

Klar bleibt in den Beitrittsverhandlungen, dass das Gelingen der Beitrittsverhandlungen im Wesentlichen vom politischen Willen der Türkei abhängt. Am Ende der Verhandlungen muss die türkische Gesellschaft alle europäischen Werte und Prinzipien übernommen haben und sich auch in der Zypernfrage bewegen.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Scholz

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