Frage an Olaf Scholz von Mike K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Scholz,
1)Warum wird das Familienwahlrecht (Jedes Kind=eine Stimme) nicht endlich eingeführt?
2) Warum werden Bundesländer nicht zusammengelegt?
3)Warum werden Gewerkschaften und Bundesagentur für Arbeit in dieser Form nicht abgeschafft?
4)Warum bekommen Politiker in bestimmten Positionen unanständige Abfindungen, die normale Arbeitnehmer nie erreichen?
5)Warum wird das Pensionssystem der Politiker nicht an normale Bedingungen angepasst?
6)Wie kann es sein, daß Lafontaine als Finanzminister der SPD ohne Vorwarnung zurücktritt, sich nicht meldet, trotzdem Bezüge von Steuerzahlern abkassiert und jetzt wieder dabei ist und wohl auch zukünftig Staatsbezüge erhalten wird?
7) Warum reden alle von großen Koalitionen, wobei noch nicht einmal geklärt ist, daß es Neuwahlen gibt?
8)Könnte das Parteiensystem gescheitert sein?
9)Was macht es für einen Sinn, Parteien zu wählen, wenn doch kaum konkretes dabei rauskommt?
Danke an das Team, das diese Homepage eingerichtet hat!
Und Danke an alle Politiker, die das System nicht nur zur Selbstvermarktung nutzen, sondern tatsächlich was aus den Fragen in die Arbeit mitnehmen.
Walk ON!
Sehr geehrter Herr Keller,
gerne möchte ich Ihre zahlreichen Fragen beantworten. Das ist nicht ganz leicht und ich kann Ihnen auch nur meine Sicht mitteilen. Wegen der vielen Fragen hoffe ich, dass Sie damit einverstanden sind, dass die Antworten kurz ausfallen.
Frage 1:
Warum wird das Familienwahlrecht (Jedes Kind=eine Stimme) nicht endlich eingeführt?
- Diese Art des Familienwahlrechts wäre wohl verfassungswidrig. Unsere Verfassung sieht aus guten Gründen vor, dass es ein allgemeines, gleiches und freies Wahlrecht gibt. Niemandes Stimme darf mehr wert sein als die eines anderen. Das frühere Zensuswahlrecht, wonach der Wert der Stimme sich nach dem Einkommen richtete, war ein Skandal, der die einfachen Menschen diskriminierte. Außerdem wüsste man nie, ob die Eltern nicht entgegen der Interessen ihrer Kinder abstimmen. So was kann schon sein. Es wäre auch nicht klar, was gelten soll, wenn die Eltern sich nicht einig sind.
Unabhängig davon bin ich aber Ihrer Ansicht, dass Familien und Kinder von unserer Gesellschaft mehr unterstützt werden müssen. Da ist schon viel passiert: Wir haben das Kindergeld erhöht, die Steuern für Familien gesenkt. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt, wenn das Kindergeld berücksichtigt wird, erst ab einem Einkommen von 37.600 Euro Steuern. Wir haben in der Rentenversicherung Erziehungszeiten für drei Jahre für ein Kind vorgesehen. Der erziehende Elternteil wird gestellt als hätte er das Durchschnittseinkommen verdient. Bis zum 10. Lebensjahr des Kindes wird ein etwaiges Teilzeiteinkommen ebenfalls in der Rentenversicherung auf das Durchschnittseinkommen aufgewertet. Wir haben ein Ganztagsschulprogramm aufgelegt (4 Mrd. Euro). Wir haben den Gemeinden jährlich 1,5 Mrd. Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt. Wir haben einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für beide Elternteile in der Elternzeit (bis zum 3. Lebensjahr) geschaffen und darüber hinaus für alle die Möglichkeit, Teilzeitarbeit durchzusetzen, erleichtert. Jetzt wollen wir ein Elterngeld, dass sich am Arbeitseinkommen bemisst, für das erste Jahr nach der Geburt eines Kindes schaffen, damit berufstätige Eltern sich leichter für Kinder entscheiden. Wir wollen, dass spätestens bis 2010 ein flächendeckendes Angebot an ganztägiger Kinderbetreuung in Deutschland geschaffen wird. Deutschland muss kinderfreundlicher werden.
Frage 2:
Warum werden Bundesländer nicht zusammengelegt?
- Das frage ich mich auch oft. Die Antwort ist wohl, die Bundesländer wollen das nicht. Zuletzt ist die Zusammenlegung von Berlin und Brandenburg in einer Volksabstimmung abgelehnt worden.
Frage 3:
Warum werden Gewerkschaften und Bundesagentur für Arbeit in dieser Form nicht abgeschafft?
- Die Gewerkschaften sind wichtig, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sonst ohne Schutz wären. Deshalb werden sie auch von der Verfassung geschützt. Ihre Abschaffung wäre verfassungswidrig.
Die Bundesagentur für Arbeit wird gerade reformiert und zwar erheblich. Das war auch dringend notwendig. Von den 90.000 MitarbeiterInnen waren gerade mal 10% mit Vermittlung beschäftigt. Jetzt schreiben wir vor, dass 1 Vermittler bei den Arbeitsgemeinschaften sich um höchstens 150 Arbeitssuchende kümmern soll. Für die unter 25jährigen schreiben wir ein Verhältnis von 1:75 vor. Gegen private Konkurrenz habe ich nichts einzuwenden, wohl aber etwas gegen die ersatzlose Abschaffung. Wer kümmerte sich sonst um die schwer Vermittelbaren.
Frage 4:
Warum bekommen Politiker in bestimmten Positionen unanständige Abfindungen, die normale Arbeitnehmer nie erreichen?
- Politiker erhalten von Gesetzes wegen keine Abfindungen. Ich nehme an, Sie meinen aber die hohen Pensionen und Übergangsgelder. Da ist Kritik durchaus angebracht. In der Sache habe ich mich ausführlich bei der Beantwortung der Frage von Herrn Steinberg geäußert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Schauen Sie sich diese Antwort bitte an.
Frage 5:
Warum wird das Pensionssystem der Politiker nicht an normale Bedingungen angepasst?
- Gute Frage! Schauen Sie bitte auch insoweit die Antwort an Herrn Steinberg an.
Frage 6:
Wie kann es sein, daß Lafontaine als Finanzminister der SPD ohne Vorwarnung zurücktritt, sich nicht meldet, trotzdem Bezüge von Steuerzahlern abkassiert und jetzt wieder dabei ist und wohl auch zukünftig Staatsbezüge erhalten wird?
- Eine gute Frage an Herrn Lafontaine.
Frage 7:
Warum reden alle von großen Koalitionen, wobei noch nicht einmal geklärt ist, daß es Neuwahlen gibt?
- Das habe ich mich auch gefragt. Ich bin ohnehin für ein neues Mandat für Gerhard Schröder und die jetzige Regierung.
Frage 8:
Könnte das Parteiensystem gescheitert sein?
- Nein! Die Demokratie lebt von konkurrierenden Parteien. Wenn einem eine nicht gefällt, kann man eine andere wählen oder neue gründen.
Frage 9:
Was macht es für einen Sinn, Parteien zu wählen, wenn doch kaum konkretes dabei rauskommt?
- Ich teile Ihre Einschätzung nicht. In den letzten Jahren hat es eine große Einkommensteuerreform, eine Unternehmensteuerreform, eine Rentenreform, eine Gesundheitsreform und jüngst eine Reform der Arbeitsvermittlung gegeben. Die waren alle dringend erforderlich und waren in den 16 Jahren der Kanzlerschaft Kohls davor liegen geblieben. Manchen gefallen die Reformen nicht. Und dass sie nicht einfach sind, ist wohl ein Grund, warum sich vorher so viele davor gedrückt haben. Aber auch der, dem sie nicht gefallen, kann nicht sagen, nichts sei dabei herausgekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz